Indoorklettern: Sicherungsgeräte und deren richtige Nutzung
Von: Thomas Brunner- Regierung von Mittelfranken, Gewerbeaufsicht
In diesem Beitrag finden Sie
- Allgemein
-
Sicherungsgeräte
- Dynamische Sicherungsgeräte
- Halbautomatische Sicherungsgeräte
- Welches Sicherungsgerät ist das Richtige?
- Sichern muss gelernt sein: Wichtige Regeln beim Klettern
- Partnercheck vor dem Klettern

Zur Zeit gibt es etwa 450 Kletterhallen in Deutschland, wobei der Löwenanteil mit über 100 Kletterhallen auf Bayern entfällt. Jährlich kommen ca. 10 neue Kletterhallen hinzu. Der Trend zeigt deutlich nach oben. Kletterhallen können objektiv als sicher betrachtet werden, da diese nach der DIN EN 12572-1 KÜNSTLICHE KLETTERANLAGEN errichtet sein müssen und auch seit 2009 durch die Norm DIN EN 12572-3 die Beschaffenheit der Klettergriffe regelt.
Der Deutsche Alpenverein "DAV" vermeldet in seiner zuletzt 2019 veröffentlichten Kletterhallenunfallstatistik 66 Unfälle mit Rettungsdiensteinsatz beim Seilklettern in der Kletterhalle. Statistisch betrachtet ist das Risiko beim Klettern zu verunfallen sehr gering (1 Unfall/50.000 h klettern). In der Partnerdisziplin Bouldern liegt das Risiko einen Unfall zu erleiden 9-mal so hoch. Dennoch dürfen diese Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass wenn Unfälle passieren, diese meist schwerwiegende oder sogar tödliche Folgen haben können. Diese sind, wenn sie denn eintreten, dem subjektiven Verhalten der Kletterer geschuldet. Zentrale Bedeutung kommt hier, den Sicherungsgeräten und deren ordnungsgemäßer Bedienung zu.
Allgemein
Um eine Kletterhalle nutzen zu können, muss in der Regel beim erstmaligen Betreten eine Benutzerklärung unterschrieben werden. Hierbei erkennt der Kletterer seine Eigenverantwortlichkeit an und bestätigt die Einhaltung diverser Verhaltensregeln. Eine Qualifikation oder Sachkenntnis wird hierbei meist nicht geprüft. Somit obliegt es jedem einzelnen, sich die notwendigen Kenntnisse anzueignen.
Das Kursangebot kommerzieller Hallen oder die Kurse des DAV zum Erwerb des Kletterscheines Toprope und Vorstieg bieten die Möglichkeit fundierte Kenntnisse zu erwerben und sollten unbedingt in Erwägung gezogen werden.
Kletterhallen bieten meist einen sogenannten Toprope und einen Vorstiegsbereich (siehe Foto). Der Toprope Bereich ist schon mit fixen Seilen ausgestattet an denen man sich nur noch ordnungsgemäß fixieren muss (einbinden oder mittels Karabiner) um von seinem Kletterpartner beim Aufstieg mit einem entsprechenden Sicherungsgerät vor Absturz gesichert werden zu können. Im Vorstiegsbereich muss das Kletterseil selbst zur Verfügung gestellt werden.
Sicherungsgeräte
Zentraler Ausrüstungsgegenstand neben einem Klettergurt und speziellen Kletterschuhen stellen die Sicherungsgeräte dar. Der Deutsche Alpenverein empfiehlt sogenannte "Halbautomaten" beim Sichern in Kletterhallen und beim Sportklettern. Der Begriff "halbautomatische Sicherungsgeräte" bezeichnet hierbei alle Sicherungsgeräte mit Blockierunterstützung. Hierbei unterscheidet man zwischen Geräten mit der Funktionsweise "Grigri" nach der Norm EN 15151-1 und den sogenannten Autotubes wie z.B. Ergo Belay, Mega Jul, Smart usw. nach der EN 15151-2. Bei beiden Gerätegruppen wird die Bremskraft durch das Einklemmen des Seils im Sicherungsgerät bzw. zwischen Sicherungsgerät und Karabiner verstärkt. Geräte ohne Blockierunterstützung wie z.B. Tube oder HMS werden als "dynamische Sicherungsgeräte" bezeichnet. Bei diesen Geräten wird durch das Prinzip der Reibung der Sturz des Kletterers abgefangen.
Auch wenn Begriffe wie "Halbautomaten" oder "Autotuber" ein Gefühl von Sicherheit vermitteln ist nach wie vor das schwächste Glied in der Sicherungskette die oder der Sichernde. Ursache Nummer eins bei Unfällen ist menschliches Fehlverhalten und nicht das Sicherungsgerät.
Dynamische Sicherungsgeräte
Halbmastwurf-Sicherung (HMS)
Die Sicherungsmethode mittels HMS ist sehr universell einsetzbar und sollte von jedem Kletterer beherrscht werden. Auch wenn diese Methode heutzutage nur noch selten gelehrt wird, ist sie beim Klettern im Alpinen Gelände noch weit verbreitet. Zum Sichern wird ein sogenannter HMS Karabiner in Birnenform als Sicherungsgerät benötigt. Diese Form ist notwendig, damit der Knoten leicht in beide Richtungen umschlagen kann. Die HMS Sicherung bremst in jede Sturzzugrichtung zuverlässig und kann neben der Sicherung vom Körper weg auch als Sicherung an einem Fixpunkt verwendet werden. Das Bremsprinzip stellt hierbei die Seilreibung innerhalb des Knotens dar. Der Nachteil dieser Methode ist daher auch der Seilverschleiß sowie die Krangelbildung des Seiles.
Achtung:
Die Halbmastwurf-Sicherung ist die einzige Sicherungsmethode, bei der die Bremshand oberhalb des Sicherungsgerätes geführt werden kann oder auch unterhalb. Zum Ablassen müssen allerdings beide Hände am Bremsseil oben sein.
Für alle anderen Sicherungsgeräte gilt das Bremshand unten Prinzip. Bei Bremshand oben haben diese z.T. keinerlei Bremswirkung und es besteht hohe Bodensturzgefahr mit entsprechenden Folgen.
Beim Sichern mit HMS ist ein sogenannter Safe-Lock Karabiner zu verwenden, da ein normaler Schraubkarabiner sich unter Umständen durch die Seilreibung öffnen kann (diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn sich der Schnapper auf der Bremshandseite befindet).
Tuber

Der Tube ist ein weiteres dynamisches Sicherungsgerät und wird heutzutage meist im alpinen Bereich eingesetzt. Im Bereich des Sportkletterns und im Indoorbereich wurde der Tube von den moderneren Autotubes abgelöst. Genau wie HMS ist der Tube relativ einfach zu bedienen, klein und leicht.
Die normale Sicherungshaltung ist unten dargestellt. Die linke Führungshand ist oben, die rechte Bremshand unten. Das Bremsprinzip ist hierbei das Abknicken des Seiles mit entsprechender Reibung im Tuber.
Achtung:
Wie schon unter der HMS-Sicherungsmethode erwähnt, funktioniert das Sicherungsprinzip beim Tuber nur dann, wenn sich die Bremshand unterhalb des Sicherungsgerätes befindet und das Sicherungsseil ständig unter Kontrolle hat (sogenannter Tunnelgriff, Daumen und Zeigefinger umfassen das Bremsseil jederzeit).
Beim Ablassen des Kletterers nach Beendigung des Aufstieges wird das Bremsseil mit beiden Händen! kontrolliert ausgegeben.
Halbautomatische Sicherungsgeräte
Diese Gruppe von Sicherungsgeräten wird vom Deutschen Alpenverein zum Klettern in Hallen und beim Sportklettern empfohlen. Sie besitzen einen selbstblockierenden Bremsmechanismus der bei richtiger Bedienung der Geräte einige Vorteile bieten kann.
Geräte nach dem Funktionsprinzip „GriGri“ (EN 15151-1)
Bei diesen Geräten wie z.B. GriGri oder Matik funktioniert der Bremsmechanismus durch Einklemmen des Seils mittels einer Mechanik im Gerät. Dennoch muss auch bei der Bedienung des Grigri das Bremshandprinzip eingehalten werden. Der Blockiermechanismus kann aber im Sturzfall bei Ausfall der Bremshand mehr Sicherheit bieten. Zudem hat das Gerät eine große Bremskraft, unabhängig von der Handkraft des Bedieners.
Diesen Vorteilen stehen jedoch auch einige Nachteile gegenüber. Ein falsch eingelegtes Seil führt z.B. zu komplettem Funktionsverlust.
Während sich das Seilausgeben beim Vorstieg bei den dynamischen Sicherungsgeräten recht einfach gestaltet ist dies bei den Halbautomaten immer mit der zum Teil komplexen Aufhebung des Blockiermechanismus verbunden. Hier sind je nach Art des Sicherungsgerätes viele Bedienungsfehler möglich.
Mit dem Grigri lässt sich ein sicheres Seilausgeben mittels der Gaswerkmethode (benannt nach der Kletterhalle Gaswerk in Zürich wo diese Methode eingeführt wurde) bewerkstelligen. Hierbei wird das Bremshandprinzip beibehalten.
Die rechten drei Finger kontrollieren das Bremsseil, der Zeigefinger fixiert das GRiGri und der Daumen hält durch Druck nach unten den Blockiermechanismus offen. Würde hier nur der Blockiermechanismus aufgehoben ohne das Bremsseil zu kontrollieren, könnte es bei Sturz zu unkontrolliertem Seildurchlauf und Absturz kommen, da die Hand im Panikfall gemäß dem menschlichen Reflex den Blockiermechanismus nicht freigeben würde.
Ebenfalls problematisch ist der Vorgang beim Ablassen des Kletterers bei dem ein Hebel zum Körper hin gezogen werden muss, um den Blockiermechanismus zu lösen (siehe Bild).
Im Panikfall reagiert auch hier der Körper mit seinen Reflexen und statt den Hebel freizugeben um die Blockierung auszulösen wird der Hebel noch mehr an den Körper herangezogen. Wird dann auch noch das Bremshandprinzip verletzt kommt es zu unkontrolliertem Absturz des Kletterers. Beim Grigri + bzw. Grigri 3 wurde diesem sicherheitstechnischen Problem Rechnung getragen und das Gerät mit einer sogenannten Anti Panik Funktion ausgestattet. Wird beim Grigri + der Hebel zum Ablassen im Panikfall an den Körper gezogen, läuft das Seil nicht mehr ohne Widerstand durch das Gerät sondern wird weiter abgebremst.
Autotubes
Bei diesen Sicherungsgeräten, aufgrund ihrer Form auch “Schnabelgeräte“ genannt, wird die Bremswirkung des Kletterseils durch einen Klemmmechanismus zwischen Karabiner und Sicherungsgerät erzeugt. Diese Gruppe von Sicherungsgeräten ist aktuell die wohl beliebteste, was sich auch an der Anzahl der am Markt erhältlichen Sicherungsgeräte wiederspiegelt (z.B. Smart, MegaJul, Fish, Ergo Belay usw.).
Entscheidend bei allen Geräten ist die richtige Position der Bremshand unterhalb der Gerätelinie.
Nur bei der richtigen Position der Bremshand unterstütz das Gerät die Bremskraft des Seils. Wie bei den Tubes kann eine falsche Position der Bremshand zu Verbrennungen der Hände des Sicherers und zum Absturz des Kletternden führen. Teilweise sind die Geräte an die Verwendung mit einem bestimmten Karabiner gebunden, der meist zusammen mit dem Gerät verkauft. Wenn gemäß der Bedienungsanleitung ein bestimmter Karabiner vorgeschrieben ist darf dieser nicht durch einen anderen Karabiner ausgetauscht werden. Wie schon beim Grigri muss auch mit den Autotubern das etwas komplexere Handling beim Seilausgeben und Ablassen geübt werden.
Welches Sicherungsgerät ist das Richtige?
Bei korrekter Bedienung und stetiger Aufmerksamkeit kann mit allen Sicherungsgeräten – dynamisch oder halbautomatisch - ein Bodensturz beim Sportklettern sicher verhindert werden. Die Auswahl eines geeigneten Sicherungsgerätes sollte sich am Einsatzzweck orientieren. Die Blockierunterstützung halbautomatischer Geräte bietet im Fall eines Sicherungsfehlers eine Sicherheitsreserve. Der Nachteil der Blockierunterstützung: Die Bedienung von Halbautomaten ist komplizierter als bei dynamischen Geräten. Um das Seil einfach, schnell und sicher auszugeben, ohne dass das Gerät dabei ungewollt blockiert, sind mehr oder weniger komplexe Handgriffe notwendig (Stichwort „Gaswerkmethode“ beim Grigri). Dynamische Sicherungsgeräte sind sehr vielseitig einsetzbar und einfach in der Handhabung, werden jedoch beim Sportklettern und Klettern in der Halle nicht mehr empfohlen.
Sichern muss gelernt sein: Wichtige Regeln beim Klettern
Die Einhaltung folgender Punkte ist beim Sichern mit allen Geräten unerlässlich:
- Konsequente Einhaltung des „Bremshandprinzips“ (die Bremshand umschließt immer das Bremsseil)
- Bewegungsroutine beim Seil-Ausgeben, -Einholen, -Blockieren und -Ablassen
- Erfahrung im Halten von Stürzen
- Beachtung des Gewichtsunterschieds in der Seilschaft
- Berücksichtigung der Handkraft (und entsprechende Wahl des Gerätes)
- Richtige Positionierung vor der Wand, insbesondere bei Kletternden in Bodennähe
- Reduzierung der Schlappseilmenge auf das Nötigste, insbesondere beim „bodennahen Sichern“
- Ständige Aufmerksamkeit
Partnercheck vor dem Klettern
Last but not Least soll auf den nötigen Partnercheck hingewiesen werden der unabhängig von der verwendeten Ausrüstung und dem Sicherungsgerät immer durchzuführen ist um ein sicheres Klettern zu gewährleisten.
Hierbei sollen folgende Punkte gegenseitig kontrolliert werden:
- Gurtverschlüsse kontrollieren
- Anseilknoten und Anseilpunkt checken
- Karabiner und Sicherungsgerät prüfen
- Seilende absichern
Wir danken dem Deutschen Alpenverein / SiFo für die Unterstützung.
Normen
- EN 15151-1 "Bremsgeräte mit Halbautomatik"
- EN 15151-2 "Manuelle Bremsgeräte"
- DIN EN 12275 Bergsteigerausrüstung - Karabiner - Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren; Deutsche Fassung FprEN 12275:2012
- DIN EN 12277:2007-05 Bergsteigerausrüstung- Anseilgurte- Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren; Deutsche Fassung EN 12277:2007
- DIN EN 12572-1 Künstliche Kletteranlagen
- DIN EN 12572-3 Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren für Klettergriffe
Literatur
- Indoor-Klettern: Das offizielle Lehrbuch zum DAV-Kletterschein
ISBN-10:3-8354-0897-6; BLV Buchverlag - SICHER SICHERN - Sportklettern, Eis, Bigwall
ISBN 978-3-936740-18-9; Michael Hoffmann - Alpin-Lehrplan, Bd.2, Felsklettern, Sportklettern
ISBN-10: 3405161827 - Alpin-Lehrplan 2a: Sicherung und Ausrüstung
ISBN-10: 3835402552
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