Ausgesperrt und abkassiert: Vorsicht vor unseriösen Notdiensten
Von: Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
- Vorbeugen
- Wenn der Notfall eingetreten ist
- Kriterien für die Wahl des Notdienstes
- Auftragserteilung
- Was ist für eine Notöffnung erforderlich?
- Was bei der Bezahlung zu beachten ist
- Widerrufsrecht bei Schlüsseldiensten
- Mit welchen Preisen kann ich rechnen?
Vorbeugen: Ersatzschlüssel hinterlegen
Gegen das versehentliche Aussperren lassen sich Vorkehrungen treffen. Am besten ist es, einen Ersatzschlüssel bei Nachbarn, Freunden oder Verwandten zu hinterlegen. Außerdem sollte man sich bei Bekannten oder der Innung nach einer örtlichen Firma mit guten Referenzen erkundigen und die Telefonnummer dieser Firma im Mobiltelefon abspeichern.
Keinesfalls sollten Sie Ihren Schlüssel in einem „todsicheren“ Versteck aufbewahren. Besonders beliebt sind Verstecke in der Nähe der Haustür, auf dem Türrahmen oder sogar unter der Fußmatte. Einbrecher kennen diese Verstecke genau und ohne die geringsten Einbruchsspuren können sie dann Ihre Wohnung oder Ihr Haus ausräumen. Ihre Hausratversicherung wird keinen Schadenersatz leisten, wenn durch Ihr eigenes fahrlässiges Verhalten der Schlüssel von einem Dritten entwendet wurde.
Wenn der Notfall eingetreten ist
Sofern man keine Vorkehrungen getroffen hat, sollte man erst einmal Ruhe bewahren. Klären Sie mit Hilfe kundiger Nachbarn, ob die Tür nicht mit einfachen Mitteln selbst geöffnet werden kann. Vielleicht ist auch ein anderer Zugang wie zum Beispiel über ein geöffnetes Fenster möglich.
Denken Sie daran, dass Notöffnungen außerhalb der normalen Geschäftszeiten teuer sind. Vielleicht können Sie bei Freunden oder Verwandten übernachten, um dann am nächsten Werktag die Tür öffnen zu lassen.
Kriterien für die Wahl des Schlüsseldienstes
Es ist verständlich, dass bei einem gebrochenen Wasserrohr oder einer zugefallenen Haustüre niemand auf die Idee kommt, zunächst verschiedene Angebote von unterschiedlichen Firmen einzuholen, um dann das Beste auszuwählen. Vielmehr ist entscheidend, dass überhaupt ein Handwerker erreicht wird und dass dieser umgehend zu Hilfe kommt. Gerade unseriöse Anbieter machen sich diesen Umstand zu Nutze und wollen schnell gefunden sein.
Man sollte es deswegen vermeiden, sich an diejenigen Notdienste zu wenden, die in den Branchenbüchern besonders hervorgehoben sind. Auch wenn der Firmenname mit möglichst vielen „A“ beginnt, ist Vorsicht geboten. Diese Firmen zielen nur darauf ab, an erster Stelle zu stehen. Skeptisch sollte man auch sein, wenn die postalische Adresse fehlt. Hierunter verbergen sich oft Firmen mit langen Anfahrtswegen, die erhebliche Kosten verursachen. Schlüsseldienste, die nur über einen kostenpflichtigen Mehrwertdienst zu erreichen sind, sollte man grundsätzlich ignorieren.
Empfehlenswert sind dagegen Firmen, die auf die Mitgliedschaft in einem Fachverband verweisen können.
Auftragserteilung
Nach Möglichkeit sollten Sie sich schon beim Anruf nach den Kosten erkundigen und insbesondere nachfragen, ob und gegebenenfalls von wo Anfahrtskosten berechnet werden. Am besten wäre es, wenn man für dieses Gespräch einen Zeugen benennen kann. Sie könnten zum Beispiel einen Nachbarn anrufen lassen. Ein seriöser Monteur wird sich vor Ort ausweisen, im besten Fall zeigt er die Handwerkskarte vor, wenn er in der Handwerksrolle eingetragen ist.
Achtung: Ein seriöser Schlüsseldienst fragt nach der Legitimation des Kunden, ob dieser also eine Zutrittsberechtigung für die Wohnung hat.
Was ist für eine Notöffnung erforderlich?
Türen, die nur zugeschlagen sind, können fast immer ohne Beschädigung des Schlosses geöffnet werden. Selbst abgebrochene Schlüsselreste sind nach Auskunft von Fachleuten mit einigem Geschick aus dem Zylinder ohne Beschädigung zu entfernen. Schauen Sie daher nicht kommentarlos zu, wenn der Schlüsseldienst-Monteur sich daranmacht, die Tür aufzubrechen oder das Schloss auszubauen. Unseriöse Firmen beschädigen unter Umständen Zylinder und Schloss und verkaufen dem gestressten Verbraucher ein neues Schloss zu überhöhten Preisen. Vermeiden Sie solche Folgegeschäfte so weit wie möglich und lassen Sie vom Notdienst nur das Notwendigste machen. Behalten Sie im Fall der Fälle zu Beweiszwecken das alte Schloss mit Zylinder.
Was bei der Bezahlung zu beachten ist
Prüfen Sie vorgefertigte Auftragsformulare vor der Unterschrift genau. Streichen Sie nicht vereinbarte oder gewünschte Passagen oder bestätigen Sie nur die Erteilung des Auftrags.
Eine Vereinbarung mit überhöhten Preisen würde dazu führen, dass Sie diesen Preis nach geleisteter Unterschrift auch zahlen müssten. Ohne vorherige Vereinbarung darf der Notdienst nur die so genannte ortsübliche Vergütung verlangen.
Verlangt der Monteur einen anderen als den vorher abgesprochenen Preis, sollten Sie standhaft bleiben und nur die vereinbarte Summe bezahlen.
Zahlen Sie aber nur, wenn eine detaillierte Rechnung mit allen Einzelposten vorliegt und diese der Vereinbarung bzw. der erbrachten Leistung entspricht.
Lassen Sie sich nicht durch Drohungen einschüchtern! Gehen Sie auf keinen Fall in Begleitung des Monteurs an den nächsten Geldautomaten. Manche Schlüsseldienste fordern den Kunden auf, sich das fehlende Geld beim Nachbarn zu leihen. Auch das sollten Sie keinesfalls tun. Sollte der Handwerker Sie unter Druck setzen, etwa indem er droht, die Tür wieder zu verschließen: Zögern Sie nicht, die Polizei zu rufen – Nötigung ist strafbar!
Weisen Sie bei Unstimmigkeiten darauf hin, dass eine Überprüfung der Rechnung bei der Handwerkskammer oder bei einer Verbraucherzentrale erfolgt. Denken Sie immer daran: Sie sind nicht verpflichtet, die Summe sofort in bar zu zahlen. Sie haben das Recht, die Rechnung in Ruhe zu überprüfen. Haben Sie einmal voll bezahlt, kann eine Rückforderung meist nur mehr auf gerichtlichem Weg versucht werden.
Achtung: Eine neue Masche der unseriösen Schlüsseldienste ist es zu zweit zu erscheinen. Lassen Sie sich auch von einem zweiten Handwerker nicht einschüchtern. Neu ist auch, dass Verbraucher aufgefordert werden, Wertgegenstände als „Pfand“ auszuhändigen, wenn sie nicht genug Bargeld haben. Auch dieses Vorgehen ist nicht rechtens.
Beispiel: Wucher beim Schlüsseldienst
Das Amtsgericht München (Az. 141 C 27160/03) hat in einem verbraucherfreundlichen Urteil einen Schlüsseldienst wegen Wuchers verurteilt. Durch einen Sachverständigen wurde festgestellt, dass die Wuchergrenze von 200 Prozent überschritten war. Die Firma musste die Summe, die über den angemessenen Betrag hinausging, wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückzahlen. Ähnlich hat das AG Essen (Az. 14 C 189/16) entschieden. Die Türöffnung wurde hier als wucherähnliches Rechtsgeschäft eingestuft. Die Leistung des Verbrauchers, war wertmäßig mehr als doppelt so hoch, wie die empfangene Gegenleistung.
Beispiel: Schadensersatz vom Schlüsseldienst
Ein Schlüsseldienst, der nicht ordnungsgemäß gearbeitet hatte, musste Schadenersatz zahlen (Amtsgericht München, Az. 251 C 21049/04). Der Monteur zerstörte das Schloss und baute einen anderen Zylinder ein, obwohl sich fast jede zugefallene Tür mit einem gebogenen Metallplättchen oder einem Spiralöffner in Sekunden öffnen lässt. Der neue Zylinder passte zudem nicht zur Standardschließanlage des Hauses. Der Gutachter legte dar, dass solche Türen von jeder angelernten Kraft mit einfachsten Mitteln, die nur wenige Euro kosten, ohne irgendeine Beschädigung geöffnet werden können.
Widerrufsrecht bei Schlüsseldiensten
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie am 13.06.2014 steht dem Verbraucher nach Einschätzung der Verbraucherzentrale unter bestimmten Umständen bei Schlüsseldiensten ein Widerrufsrecht zu.
Die meisten Schlüsseldienste betreiben ein Fernabsatzsystem. Ein telefonischer Auftrag zur Türöffnung kann als Fernabsatzgeschäft jetzt widerrufen werden (§§ 312g Abs. 1, 355 BGB).
Bei Schlüsseldienstverträgen erlischt das Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 4 BGB allerdings,
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wenn der Handwerker die Dienstleistung vollständig erbracht hat und
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wenn er erst dann mit der Dienstleistung begonnen hat, nachdem der Verbraucher zugestimmt hat und
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wenn der Verbraucher zeitgleich mit seiner Zustimmung bestätigt, von dem Verlust des Widerrufsrechts Kenntnis genommen zu haben. Der Auftrag über den Einbau eines neuen Türschlosses vor Ort kann als Außergeschäftsraumvertrag ebenfalls widerrufen werden, §§ 312g Abs. 1, 355 BGB.
Schlüsseldienste könnten sich zudem auf eine Ausnahmeregelung (§ 312 g Absatz 2 Nr. 11 BGB) berufen. Danach besteht ausnahmsweise kein Widerrufsrecht, wenn der Verbraucher das Unternehmen ausdrücklich auffordert, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen. Unserer Ansicht nach handelt es sich bei einer bloßen Türöffnung nicht um eine Reparatur- oder Instandhaltungsarbeit, sodass die Ausnahmeregelung unserer Auffassung nach nicht einschlägig wäre.
Wie die Gerichte dies beurteilen, ist abzuwarten. Eine gerichtliche Klärung ist jedoch mit einem gewissen Risiko verbunden.
Mit welchen Preisen kann ich rechnen?
Im Folgenden möchten wir Ihnen Anhaltspunkte für Preise geben: Eine Umfrage der Verbraucherzentralen hat ergeben, dass in Bayern eine normale Türöffnung tagsüber etwa 70 Euro und nachts bzw. an Sonn- und Feiertagen etwa 120 Euro kostet. Achten Sie darauf, dass bei Pauschalangeboten keine zusätzlichen Einzelpreise berechnet werden. Viele dieser weiteren Kostenpunkte sind unwirksam oder stellen eine Doppeltberechnung dar.
Rechenbeispiel:
Ein Verbraucher in München schließt sich am Sonntag beim Brötchenholen aus und ruft einen Schlüsselnotdienst an.
Da es sich um ein Schloss mit Mehrfachverriegelung handelt, dauert die Öffnung etwas länger, nämlich 25 Minuten.
Pauschale für den Ballungsraum München: 84 Euro.
Zuschlag für Sonntagsarbeit 100 %: 84 Euro
Zusatzbetrag je angefangene Viertelstunde: 42 Euro
Anfahrtspauschale: 36 Euro.
Nach den unverbindlichen Preisempfehlungen des Bundesverbandes Metall ist ein Rechnungsbetrag in Höhe von 246 Euro angemessen.
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
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