Mykotoxine - natürliche Giftstoffe der Schimmelpilze
In diesem Beitrag finden Sie
- Wie unterscheiden sich Mykotoxine?
- Wichtige Vertreter
- Wie kommen Mykotoxine in die Nahrungskette?
- Wie schädigen Mykotoxine Tier und Mensch?
- Welche Maßnahmen können Mykotoxin-Verunreinigungen minimieren?
- Was sollte der Verbraucher wissen?
Zum Wachstum brauchen Schimmelpilze Nährstoffe aus tierischem oder pflanzlichem Material. Viele Lebensmittel und Futtermittel bieten hierfür geeignete Voraussetzungen.
Neben einem ausreichenden Nährstoffangebot benötigen die Pilze außerdem genügend Feuchtigkeit und - abhängig von der Pilzart - bestimmte Umgebungstemperaturen, um wachsen zu können. Von diesen Faktoren hängt unter anderem auch die Bildung der Schimmelpilzgifte ab. Von der Vielzahl der Schimmelpilzarten bilden etwa 30 bis 40 % in ihrem Stoffwechsel solche Mykotoxine und setzen sie in ihrer Umgebung frei [2]. Ein Schimmelpilz kann mehrere Mykotoxine bilden und ein Mykotoxin kann von verschiedenen Schimmelpilzen gebildet werden. Somit kann die Belastung von Lebensmitteln mit Mykotoxinen sehr komplex sein [1].
Wie unterscheiden sich Mykotoxine?
Es gibt Hunderte verschiedener Mykotoxine, die sich in ihrer chemischen Struktur und ihren physikalisch-chemischen Eigenschaften unterscheiden. Mykotoxine werden auf Grund ihrer chemischen Verwandtschaft in Kategorien eingeordnet.
Teilweise werden sie nach dem Pilz benannt, der die Giftstoffe produziert. Aflatoxine, die wohl bekanntesten Mykotoxine, sind nach dem Pilz Aspergillus flavus benannt [1]. Die Mykotoxine Zearalenon, Trichothecene und Fumonisine werden von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildet und deshalb unter dem Oberbegriff Fusarien-Toxine zusammengefasst [2].
Die wissenschaftliche Unterscheidung der Mykotoxine ist noch umfangreicher. So werden die Giftstoffe z. B. in freie, matrix-assoziierte und modifizierte Mykotoxine eingeteilt. Mit freien Mykotoxinen werden die ursprünglichen Ausgangs- bzw. Muttersubstanzen bezeichnet [3]. Dazu gehören beispielsweise Aflatoxin B1 oder Deoxynivalenol [1]. Es kann vorkommen, dass diese Ausgangssubstanzen unverändert vorliegen, aber in der Routine trotzdem nicht analysiert werden können, weil sie an das Pflanzenmaterial gebunden sind. Dann werden sie als matrix-assoziiert bezeichnet. Die erst seit ein paar Jahren näher erforschten Mykotoxin-Derivate, sogenannte modifizierte Mykotoxine, können durch strukturelle Veränderungen der Ausgangs- bzw. Muttersubstanzen im Stoffwechsel von Pilzen, Pflanzen und Tieren entstehen [3]. Aflatoxin M1, das im Stoffwechsel der Milchkuh aus dem freien Aflatoxin B1 gebildet wird, ist ein bekanntes Beispiel für ein biologisch modifiziertes Mykotoxin [1]. Chemische Vorgänge wie z. B. Erhitzen während der Lebensmittelproduktion können ebenfalls zu modifizierten Mykotoxinen führen [3]. Ein Beispiel für die Verstoffwechselung in Pflanzen liefert das Alternaria-Toxin Alternariol in der Tomate. In der Forschung wurde festgestellt, dass die Tomate aus Alternariol durch Anhängen eines Zuckers an die Hydroxylgruppe ein modifiziertes Mykotoxin bilden kann. Da dieser Zuckerrest möglicherweise im Magen-Darm-Trakt wieder abgespalten und das Toxin freigesetzt werden kann, ist die Erforschung dieser modifizierten Toxine von großer Bedeutung [4].
Wichtige Vertreter
Im Rahmen der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung sind die folgenden, z. T. bereits erwähnten Mykotoxin-Gruppen und Einzelstoffe bedeutsam:
- Aflatoxine (Aflatoxin B1, Aflatoxin M1)
- Ochratoxin A
- Fusarien-Toxine (Zearalenon, Trichothecene, Deoxynivalenol, Fumonisine)
- Mutterkornalkaloide (Ergotalkaloide)
- Patulin
- Alternaria-Toxine
- Citrinin
Wie kommen Mykotoxine in die Nahrungskette?
Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Wege wie Mykotoxine in Lebensmittel und Futtermittel gelangen können: die Primärkontamination (Toxinbildung im Rohstoff), die Sekundärkontamination (Toxinbildung im fertigen Lebensmittel) und den carry over (Übergang vom belasteten Futtermittel ins tierische Lebensmittel) [2].
Primärkontamination (Toxinbildung im Rohstoff)
Pilze, die vor der Ernte Nutzpflanzen befallen und Mykotoxine bilden, werden Feldpilze genannt. Zu diesen gehören unter anderem die Fusarienstämme und Claviceps purpurea (Mutterkorn) [1, 2].
Pilze, die nach der Ernte, während der Lagerung, dem Transport oder der Weiterverarbeitung Mykotoxine produzieren können, werden als Lagerpilze bezeichnet. Hierzu gehören überwiegend Aspergillus- und Penicillium-Stämme [2]. Aflatoxine, die von Aspergillus-Pilzen in tropischen und subtropischen Gebieten unter feuchtwarmen Klimabedingungen gebildet werden, kommen mit Importwaren wie Nüssen und getrockneten Früchten nach Europa [1]. Im Kontext des Klimawandels ist jedoch zu erwarten, dass sich die Regionen, in denen Mykotoxine vorkommen, verändern werden [5].
Sekundärkontamination (Toxinbildung im fertigen Lebensmittel)
Das hergestellte Lebensmittel verschimmelt (oft erkennbar durch einen sichtbaren Schimmelbefall) und wird dabei mit Mykotoxinen kontaminiert.
Bei manchen Lebensmitteln wie Rohwürsten oder Käse werden gezielt Schimmelkulturen zur Reifung eingesetzt. Diese sind gesundheitlich unbedenklich.
Problematisch wird es, wenn bei unsachgemäßer Herstellung auch andere, toxinbildende Kulturen auf das Lebensmittel gelangen. Da der Schimmel bei solchen Produkten zum Erscheinungsbild gehört, ist der Unterschied auf Anhieb nicht zu erkennen [2].
Carry over (Übergang vom belasteten Futtermittel ins tierische Lebensmittel)
Über verunreinigtes Tierfutter können Mykotoxine vom Nutztier aufgenommen und so in die Nahrungskette eingetragen werden. Sie werden vor allem in Organen gespeichert und gelangen über Innereien, aber auch durch Muskelfleisch, Eier und Milch zum Endverbraucher [2].
Wie schädigen Mykotoxine Tier und Mensch?
Mykotoxine können die Gesundheit von Mensch und Tier schädigen.
Das Wirkungsspektrum der Mykotoxine ist umfangreich und kann sowohl akute als auch chronische Schäden hervorrufen. (s. Tabelle 1) [1].
Tabelle 1 gibt einen Überblick über Mykotoxine, Schimmelpilzproduzenten, belastete Lebensmittelgruppen und mögliche schädigende Wirkungen der einzelnen Mykotoxine [1, 2, 6]
(siehe Tabelle 1 im Artikel auf der Internetseite des LGL)
Welche schädlichen Wirkungen sich nach einmaliger oder wiederholter Mykotoxin- Aufnahme zeigen, hängt vom jeweiligen Mykotoxin ab. Schwerwiegende Schädigungen unterschiedlicher Organe sind nach einmaliger oder wiederholter Aufnahme von vor allem Aflatoxinen, Ochratoxin A, Fumonisinen, Citrinin oder Mutterkorn-Alkaloiden bei Tier und Mensch möglich [1].
Vergiftungen mit schweren Leberschädigungen traten nach einmaligem Verzehr von größeren Mengen an Aflatoxin-belasteten Lebensmitteln in Regionen Afrikas und Südostasiens auf [1].
Wenn extrem große Mengen (1 bis 10 mg/kg Körpergewicht) Aflatoxine aufgenommen werden, kann es zu Leberversagen kommen und der Tod eintreten.
Wiederholte Aufnahme geringerer Mengen an Aflatoxinen über einen längeren Zeitraum kann zu Leberzirrhose und Lebertumoren führen. In südlichen Regionen Afrikas und Chinas, in denen entsprechende Mykotoxin-Belastungen in der Nahrung vorkommen, sind hohe Raten an Leberkrebserkrankungen festzustellen [2].
Aber nicht alle Aflatoxine tragen in gleichem Maße zum Krebsrisiko bei. So sind Aflatoxin B1, Aflatoxin G1 und M1 zwar krebserzeugend, aber Aflatoxin M1 hat ein etwa 10-fach niedrigeres krebserzeugendes Potential im Vergleich zu Aflatoxin B1 [1]. Aflatoxin B2 und G2 spielen in der Krebsentstehung keine große Rolle [2].
Neben den Aflatoxinen können auch andere Mykotoxine wie Ochratoxin A das Erbgut schädigen und eventuell bösartige Tumore erzeugen. Einige Mykotoxin-Vertreter sind fruchtschädigend, d. h. sie können Fehlbildungen des Embryos während der Schwangerschaft hervorrufen. Beim Menschen können die Aufnahme größerer Mengen an Patulin oder Trichothecenen Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auslösen [1].
Durch kontaminierte Futtermittel kann es zu Schädigungen bei Tieren kommen. Nach Fütterung eines Fumonisin-haltigen Futters können bei Schweinen Lungenödeme auftreten. Citrinin-haltiges Schweinefutter kann zu Nierenschäden führen. Die Hauptzielorgane sind meist Leber und Niere [1].
Welche Maßnahmen können Mykotoxin-Verunreinigungen minimieren?
Je nach Pilzart und gebildetem Mykotoxin werden Maßnahmen vor oder nach der Ernte sowie während der Lebensmittelverarbeitung durchgeführt, um die Mykotoxin-Belastung so niedrig wie möglich zu halten. In der Landwirtschaft werden beim Anbau von Nutzpflanzen resistenten Sorten bevorzugt, Bodenbearbeitungsmaßnahmen durchgeführt und auf die Fruchtfolge geachtet.
Bei der Ernte und Lagerung spielen Bedingungen wie z. B. ein geeigneter Feuchtigkeitsgehalt eine wichtige Rolle, damit das Schimmelpilzwachstum in geernteten Pflanzen vermieden wird.
Physikalische Verfahren wie Sortieren oder Sieben werden eingesetzt, um stark pilzbefallene Pflanzenteile auszusortieren. So wird in Getreidemühlen Mutterkorn durch technische Maßnahmen entfernt, z. B. Einsatz eines Farbauslesers. In der Lebensmittelverarbeitung wird vor allem durch eine sorgfältige Auswahl der Rohstoffe versucht, Mykotoxinbelastungen zu vermeiden [7].
Was sollte der Verbraucher wissen?
Hinweise, wie Sie mit verschimmelten Lebensmitteln umgehen sollten, finden Sie auf folgender Seite des LGL: Schimmelbefall bei Lebensmitteln: Was ist zu tun?
Erhitzen der Lebensmittel wie Kochen bei Temperaturen um 100 °C zerstört in der Regel keine Mykotoxine, da sie weitgehend hitzestabil sind [6].
Das Verfüttern verschimmelter Lebensmittel an Tiere soll der Verbraucher vermeiden, um die Tiergesundheit nicht zu gefährden.
Im Rahmen des Verbraucherschutzes werden ständig risikoorientierte Untersuchungen durchgeführt, um ein hohes Schutzniveau zu erhalten. Hierbei wird auch kontrolliert, ob die aktuell gültigen Höchstgehalte eingehalten werden.
Quellen:
[1] Degen (2017) Mykotoxine in Lebensmitteln. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz 7, 745-756
[2] Weiß C. (2010) Mykotoxine. Ernährungs Umschau 6: 316-24
[3] BfR (2013) Erarbeitung einer Definition für die Stoffgruppe der „Maskierten Mykotoxine“
[4] Max Rubner-Institut: Maskierte Mykotoxine: https://www.mri.bund.de/de/institute/sicherheit-und-qualitaet-bei-obst-und-gemuese/forschungsprojekte/maskierte-mykotoxine/?sword_list%5B0%5D=schimmelpilze (zuletzt aufgerufen am: 24.11.2020)
[5] European Food Safety Authority (EFSA): Mykotoxine: https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/mycotoxins (zuletzt aufgerufen am 25.11.2020)
[6] EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain, Scientific Opinion, Risk assessment of ochratoxin A in food, EFSA Journal 2020, 18 (5), 6113, Parma, Italy
[7] Karlovsky P, Suman M, Berthiller F, et al. (2016). Impact of food processing and detoxification treatments on mycotoxin contamination. Mycotoxin Res 32(4):179-205. Review.
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