Achtsam essen - wie funktionniert das?
Mal ist es nur ein kleiner Keks, mal eine Tafel Schokolade oder eine ganze Packung Chips. Sie wandern direkt von der Hand in den Mund, ohne dass Sie es bemerken. Denn nebenher schauen Sie fern, lesen die Zeitung oder checken Ihre Mails im Smartphone. "Essen to go, aber flott, sang- und klanglos!" so scheint die Devise. Schade um die Köstlichkeiten und riskant für die Figur.
In diesem Beitrag finden Sie
- Was ist achtsames Essen?
- Achtsam essen und Gesundheit
- Achtsam essen lernen
- Achtsam essen und trinken
- Hunger und Sättigung spüren
- Achtsame Essgewohnheiten
- Achtsames Essverhalten
- Achtsam sein rund ums Essen
Was ist achtsames Essen?
Beim achtsamen Essen konzentrieren Sie sich bewusst nur auf den gegenwärtigen Moment, in dem Sie hier und jetzt etwas essen oder trinken. Sie nehmen die vielen Nuancen von Farbe, Form, Duft, Geschmack und Beschaffenheit der Lebensmittel wahr und verzehren Ihre Mahlzeit immer entspannt und mit ganzem Herzen.
Ob Sie hungrig oder satt sind, sagt Ihnen Ihr Bauchgefühl. Mit dem feinen Gespür für Ihre Körpersignale essen Sie nur noch, wenn Sie wirklich echten Hunger haben und ersetzen Frust-Schokolade durch kalorienfreie Seelentröster.
Als achtsamer Esser kennen Sie Ihre Verhaltensmuster bis ins Detail. Damit besitzen Sie eine Art Frühwarnsystem für automatische oder ungewollte Nahrungszufuhr. So bieten Sie selbst dem inneren Schweinehund mutig Paroli.
Achtsam essen und Gesundheit
Der Ansatz des achtsamen Essens ist weder eine neue Diät, noch handelt es sich dabei um eine spezielle Kostform. Achtsam essen gleicht eher einer offenen, inneren Haltung gegenüber dem eigenen Essverhalten, bei dem alles erlaubt ist.
Sie wählen das Essen aus, das Ihnen schmeckt und gut tut. Da es weder Regeln noch Pläne gibt, verschwindet auch das schlechte Gewissen langsam aber sicher von der Bildfläche. Mit der Übung kommt die Gelassenheit. Achtsam essen verhilft Stress-, Schnell-, Nebenher- und Viel-Essern zu mehr Muße und Überblick über Mengen und Portionsgrößen, fördert die Verdauung und kann dazu beitragen, dass die Pfunde fließen.
Achtsam essen lernen
Achtsam Essen: das Prinzip
Beim achtsamen Essen lenken Sie Ihre volle Aufmerksamkeit ganz bewusst auf den Moment, in dem Sie etwas essen oder trinken. Dabei nehmen Sie wahr, was Sie beim und rund ums Essen denken, fühlen, spüren und tun.
Wichtig ist, dass Sie die Situation nur beobachten und neutral beschreiben, und auf keinen Fall beurteilen. Sonst schweifen Sie ab und finden sich in endlosen Gedankenspiralen wieder wie "Das sollte ich jetzt aber nicht essen" oder "Hoffentlich kann ich mich rechtzeitig bremsen." Einfach betrachten und akzeptieren, was jetzt vor sich geht.
Das schafft Klarheit und eine wohlwollende Beziehung zum Essverhalten, die Veränderung erst möglich machen.
Beim achtsamen Essen erkunden Sie:
- Essen und Trinken
- Was schmeckt mir und was tut mir gut?
- Wie sieht mein Essen aus, welchen Duft und welche Konsistenz hat es?
- Essgewohnheiten
- Wann, wo und wie esse ich?
- Hunger- und Sättigungsgefühl
- Wie und woran spüre ich, dass ich hungrig bin?
- Wie und woran spüre ich, dass ich satt bin?
- Essverhalten
- In welchen Situationen esse und trinke ich?
- Was brauche ich in diesem Moment: Süßigkeiten oder Trost?
- Welche Gedanken und Gefühle verbinde ich mit Essen?
- Achtsam sein rund ums Essen
Achtsam essen und trinken
Nach was hat die Suppe gestern geschmeckt? Haben Sie den Duft von Basilikum im Salat bemerkt? Die Klöße waren wie Gummi, oder? Viel zu oft registrieren Sie weder wie ein Lebensmittel oder Getränk riecht, schmeckt und aussieht, noch seine Farbe und Beschaffenheit. Beim achtsamen Essen schärfen Sie als erstes Ihre Sinne, um die vielfältigen Eigenschaften der Nahrungsmittel zu enthüllen. Das bereichert Ihre Mahlzeit und macht sie zu einem besonderen Anlass mit mehr Genuss und Zufriedenheit.
Mit kleinen Übungen sammeln Sie Schritt für Schritt Erfahrung im achtsamen Essen.
Die Rosinenübung:
Legen Sie eine einzelne Rosine bereit. Alternativ können Sie die Übung auch mit einer Erdbeere, einem Stück Apfel, Knäckebrot oder einer Kirschtomate durchführen.
Tun Sie so, als kämen Sie von einem fernen Planeten und wären noch nie im Leben einer Rosine begegnet. Sie treffen heute zum allerersten Mal mit diesem Objekt zusammen. Sammeln Sie nur Eindrücke und bewerten Sie nichts.
-
Atmen Sie tief durch, nehmen Sie das fremde Objekt in die Hand, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit darauf und schauen Sie es genau von allen Seiten an. Erkunden Sie die Oberfläche, die Form und die Farbe des Objekts.
-
Riechen Sie nun an diesem Objekt. Welchen Duft nehmen Sie wahr? Verändert sich der Duft, wenn Sie das Objekt etwas weiter weg von der Nase halten? Wie lange hält sich der Duft in Ihrer Nase?
-
Halten Sie das Objekt an Ihr Ohr und bewegen Sie es zwischen den Fingern. Welches Geräusch nehmen Sie wahr?
-
Schließen Sie jetzt kurz die Augen und ertasten Sie das Objekt mit den Fingern. Wie fühlt es sich an? Welche Struktur nehmen Sie wahr? Welche Temperatur hat das Objekt?
-
Führen Sie das Objekt nun zu Ihrem Mund, aber stecken Sie es noch nicht hinein. Nehmen Sie es zwischen die Lippen und ertasten Sie es. Jetzt lassen Sie das Objekt in den Mund gleiten und erforschen es mit Ihrer Zunge. Wie fühlt es sich für Sie an? Beißen Sie auf das Objekt und nehmen Sie den Geschmack bewusst wahr. Kauen Sie das Objekt langsam. Wie verändert es sich? Wenn Sie das Objekt jetzt gleich schlucken werden, dann versuchen Sie seinen Weg vom Mund in den Magen zu verfolgen.
-
Kommen Sie nun mit Ihrer Aufmerksamkeit wieder zurück und beschreiben Sie für sich nochmals Ihre Eindrücke. Was war für Sie neu? Was hätten Sie anders erwartet?
Bei der Sache bleiben
Bei Achtsamkeitsübungen gehen die Gedanken anfangs oft auf Wanderschaft. Wie aus dem Nichts kommt Ihnen plötzlich in den Kopf, was Sie heute noch erledigen sollten oder wie das Gespräch gestern mit dem Chef verlief. Das ist völlig normal. Machen Sie in diesem Fall eine mentale Notiz wie "Aha, da ist ein Gedanke." und konzentrieren Sie sich wieder auf Ihre Übung. Lassen Sie Gefühle und Gedanken vorbeiziehen wie Wolken am Himmel.
Tipps: Achtsam essen üben
-
Gestatten Sie sich täglich einen ungestörten, achtsamen Moment. Räumen Sie alle Ablenkungen wie Radio, Telefon und Computer beiseite.
-
Nehmen Sie vor dem Essen zwei bis drei tiefe Atemzüge und stellen Sie sich darauf ein, dass Sie jetzt auf Entdeckungsreise gehen. Machen Sie diese Atemzüge als Ritual vor jeder achtsamen Mahlzeit. Das wirkt ungefähr so wie die Schulglocke vor der großen Pause.
-
Bleiben Sie im Kontakt mit dem gegenwärtigen Augenblick: Wenn Sie essen, dann essen Sie. Stehen Sie in Gedanken nicht schon auf und räumen den Tisch ab.
-
Beobachten Sie Ihr Essen mit Anfängergeist, so als hätten Sie es noch nie gesehen. Sie wissen beim achtsamen Essen vorher nicht, wie etwas duften, schmecken und aussehen wird. Bleiben Sie neugierig und erforschen Sie die Eigenschaften der Speisen aufs Neue.
-
Essen Sie pro Tag eine Mahlzeit, wenigstens die ersten fünf Bissen, achtsam. Erinnern und beschreiben Sie nach der Mahlzeit Ihre Eindrücke.
Hunger und Sättigung spüren
Ein wichtiger Lernschritt beim achtsamen Essen ist, dass Sie wieder mehr auf Ihr Bauchgefühl vertrauen. Das heißt, Sie spüren deutlich die Signale Ihres Körpers, ob Sie hungrig oder schon satt sind und Sie essen auch nur, wenn Sie wirklich echten Körperhunger empfinden. Dabei hilft die Methode der Skalierung. Malen Sie sich einen Zahlenstrahl von 0 bis 10 auf ein Blatt Papier und spüren Sie in sich hinein.
Körperhunger einschätzen:
Auf einer Skala von 0 bis 10, wie hungrig sind Sie gerade?
Dabei bedeutet die 0: gar keinen Hunger, die 5: ich bin hungrig und könnte etwas essen und die 10: ich habe einen Bärenhunger und muss sofort etwas essen.
Meldet sich der Hunger mit lautem Knurren oder eher als dumpfes Gefühl in der Magengegend? Zeigt Ihnen Ihr Kopf mit leichtem Schwindel an, dass Sie etwas essen sollten? Ist es gar kein Hunger, sondern Durst?
Sättigung einschätzen:
Auf einer Skala von 0 bis 10, wie satt sind Sie gerade?
Dabei bedeutet die 0: überhaupt nicht satt, die 5: ich bin angenehm satt und könnte jetzt aufhören zu essen und die 10: ich bin total satt, schon übervoll.
Legen Sie nach der Hälfte der Mahlzeit das Besteck zur Seite und spüren Sie in sich hinein: Wie satt sind Sie bereits?
Hungerarten
Körperhunger kommt langsam und wird mit Essen befriedigt. Emotionaler oder Seelenhunger meldet sich plötzlich, meist außerhalb der Essenszeiten und kann mit Lebensmitteln kaum gestillt werden. Im Gegenteil: Die meist kalorienreichen Trösterchen wie Süßigkeiten und Fast Food lösen auch noch ein schlechtes Gewissen aus. Manchmal läuft Ihnen vielleicht schon beim Anblick einer Speise das Wasser im Mund zusammen oder wenn Ihnen ein guter Duft in die Nase steigt. Sagt Ihnen der Geist, wann und was Sie zu essen haben, will der Mund auf etwas beißen oder einen Geschmackswandel? Spüren Sie in sich hinein, um welchen Hunger es sich handelt und stellen Sie ihn adäquat zufrieden.
Achtsame Essgewohnheiten
Essen und Trinken laufen häufig automatisch und nur halb- oder unbewusst ab. Manchmal fühlt sich das so an, als wäre der Griff zur Tüte Gummibärchen ferngesteuert. Damit Sie langsamer und seltener nebenher essen, müssen Sie den Gewohnheiten auf die Schliche kommen. Beim achtsamen Essen schalten Sie den so genannten Autopiloten aus, wenn Sie z.B. Ihren Wunsch nach Süßem vor dem Fernseher einfach nur betrachten, so akzeptieren und eben nicht gleich beim ersten Ess-Impuls hektisch die Pralinenschachtel öffnen. Nur so können Sie den Kreislauf anhalten und in Ruhe überlegen, wem Sie sich zuerst widmen: dem Kuchen, der Quiz-Sendung oder beiden gleichzeitig. Diese achtsame Art des Ess-Stopps verhilft auch Schnellessern zur Entschleunigung.
Tipps für achtsame Essgewohnheiten
Bewusster essen:
-
Setzen Sie sich zum Essen hin.
-
Decken Sie den Tisch ansprechend.
-
Kauen Sie die ersten 5 Bissen ca. 10 mal.
-
Betrachten Sie vor dem Essen, was alles auf Ihrem Teller liegt.
-
Verwenden Sie farbiges Geschirr.
Langsamer und weniger essen:
-
Legen Sie nach jedem zweiten Bissen das Besteck weg.
-
Essen Sie mit der nicht dominanten Hand oder mit der Kuchengabel.
-
Gönnen Sie sich nach der Hälfte der Mahlzeit eine Verschnaufpause.
-
Essen Sie nicht direkt aus der Packung.
-
Benutzen Sie hohe Gläser und kleine Teller.
Achtsames Essverhalten
Bei Ärger, Frust und Stress übernehmen Leckereien häufig die Aufgabe des Seelentrösters. Naschen hilft dann genau so lange, bis Sie das schlechte Gewissen zum nächsten Bissen auffordert. Emotionales Essen und der innere Schweinehund laufen auch nach dem Autopilotenmechanismus ab. Versetzen Sie sich vor dem nächsten Frustessen in die Rolle des Beobachters und schauen Sie sich Ihr Essverhalten aus der Distanz an. Erkunden Sie, welche Bedürfnisse sich als Seelenhunger melden, und welche Gedanken und Gefühle Ihre Laune trüben. Wenn Sie das durchschaut haben, können Sie frühzeitig auf Gelüste reagieren und Ihre Stimmung auch ohne Essen wieder in den grünen Bereich heben.
Achtsam sein rund ums Essen
Tätigkeiten vor und nach der Mahlzeit bieten ein ideales Übungsfeld für achtsame Augenblicke.
Dazu richten Sie zum Beispiel Ihre Aufmerksamkeit auf das Gespräch bei Tisch und seien Sie ganz Ohr.
Oder gehen Sie einmal achtsam einkaufen, betrachten Sie die Farbpalette am Obststand auf dem Markt und schätzen Sie es wert, wie viele Menschen dafür sorgten, dass diese Äpfel jetzt in Ihrem Korb liegen.
Kneten Sie achtsam und ohne Ablenkung den Hefeteig, schälen Sie mit allen Sinnen das Gemüse oder spülen Sie auf diese Art Ihr Geschirr.
Schenken Sie sich täglich einen achtsamen Moment für Ihr Wohlbefinden, z.B. wenn Sie nach getaner Arbeit Ihre Hände mit einer duftenden Creme verwöhnen.
Fotonachweis: alle Fotolia.com
120557723 © stokkete – Mann am Arbeitsplatz mit Pizzastück
Literatur
- Albers, S. (2010): Essen, trinken, achtsam genießen. Arbor Verlag
- Bays, J. Ch. (2009): Achtsam essen. Arbor Verlag
- Michalak, J., Heidenreich, Th., Williams, J.M.G. (2012): Achtsamkeit. Hogrefe Verlag
Ähnliche Themen
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
Alle Artikel zum Thema
Ernährungsformen
- Achtsam essen - wie funktionniert das?
- Brainfood – geistig fit und bester Laune
- Intuitiv essen - Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl!
- Halal-Ernährung - Wie steckt dahinter?
- Koscher Essen
- Paleo-Ernährung - Was steckt dahinter?
- Sinnvoll einkaufen - Tipps für die tägliche Auswahl
- Tipps zum Essen und Trinken an heißen Tagen
- Mediterrane Ernährung - Urlaubsfreude für zu Hause
- Was tun ... damit Sie fit in den Winter kommen?
- Was ist dran am richtigen Trinken?
- Vegan - leben ganz ohne tierische Produkte
- Umami – die fünfte Geschmacksrichtung
- 1. Leitlinie Kohlenhydrate – Hilfe bei der Vorbeugung von Krankheiten
- Mehr Kohlenhydrate - aber wie?
- Empfehlungen für eine vollwertige Ernährung
- Superfood - die wichtigsten Fakten