Persönliche Daten als Währung – erst prüfen, dann „bezahlen“!
Von: Andrea Estermeier, VerbraucherService Bayern und Björn Stecher, Initiative D21 e.V.
In diesem Beitrag finden Sie
- Wie funktioniert die Währung Daten?
- Gläserner Kunde = Zufriedener Kunde?
- Kontrollverlust über die eigenen Daten
- Chancen und Gefahren der Datensammlung
- Vorsichtsmaßnahmen gegen ungewollte Datenpreisgabe
- Die Kontrolle zurückgewinnen
Wie funktioniert die Währung Daten?
Bei der Nutzung von kostenfreien Online-Diensten gibt das Nutzerverhalten Informationen über den Nutzer preis. Dies können Informationen über das Alter, Geschlecht, Nationalität, Geburtstag oder Wohnort sein, genauso wie über Musikgeschmack, Technikinteresse, politische Gesinnung, Schulabschluss oder Beziehungsstatus. Diese Informationen können dann wiederum dafür verwendet werden, z.B. dem Nutzer personalisierte oder “maßgeschneiderte” Werbung anzubieten.
Gläserner Kunde = Zufriedener Kunde?
Das Prinzip der personalisierten Werbung ist keine Erfindung des digitalen Zeitalters. Unternehmen haben schon immer versucht, Informationen über potenzielle Kunden mit ihren Produkten zu verknüpfen, um so eine höhere Wahrscheinlichkeit auf einen Kaufabschluss zu erzielen.
So gibt zum Beispiel der Wohnort einen Hinweis auf die Kaufkraft. Die Wahl der Tageszeitung korreliert häufig mit einem bestimmten Bildungsgrad. Und Informationen über den Berufsstand lassen Rückschlüsse auf das Fahrverhalten zu, was zum Beispiel dazu führt, dass Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst oft günstigere KfZ-Versicherungstarife erhalten.
Der Vorteil der automatisierten digitalen Datengenerierung und Datenverwertung ist, dass personalisierte Informationen sehr viel besser spezifiziert, effektiver bemessen und ertragreicher vermarktet werden können: Je mehr Daten über einen Nutzer zur Verfügung stehen, desto präziser kann Werbung personalisiert werden.
Gleichzeitig können Daten aber auch schneller und oft sogar in Echtzeit verwertet, analysiert und in personalisierte Werbung umgesetzt werden. Wenn beispielsweise Urlaubsziele recherchiert werden, erscheint Werbung von Reiseveranstaltern. So gesehen ersetzen Daten also eine finanzielle Transaktion.
Kontrollverlust über die eigenen Daten
Ein Problem mit Daten als “Währung” ist, dass der Nutzer keine Kontrolle über den “Betrag” hat, den er für die Nutzung eines vermeintlich kostenfreien Online-Dienstes bezahlt. Man erhält keinen Beleg oder Kassenzettel, auf dem die erhobenen Daten gelistet sind.
Die informationelle Selbstbestimmung in Deutschland räumt zwar jedem das Recht ein, über den Zugang zu seinen Daten bestimmen zu dürfen. Problematisch wird es aber, wenn Daten unterschwellig gesammelt werden und dem Nutzer nicht klar ist, welche Online-Aktivitäten “mitgelesen” werden und welche nicht. Die Abwägung zwischen Kosten und Nutzen ist somit für den Nutzer schwer zu vollziehen.
Die Menge an personalisierten Daten, die bei der Nutzung von kostenfreien Online-Angeboten generiert wird, ist aber nicht nur deswegen so groß, weil die Informationen elektronisch verarbeitet werden. Vielmehr liegt es daran, dass Nutzer die Daten selbst erzeugen und in die Datenbanken transferieren.
Beispiele:
Dies geschieht in Sozialen Netzwerken zum Beispiel durch Ortsangaben, Tagging (Verlinkung von Personenprofilen) von Freunden und Fotos, bei Suchmaschinen und Online-Shops durch Suchanfragen oder bei Auktionsplattformen durch Beobachten und Bieten.
Dazu kommen immer mehr Daten, die durch die Verknüpfung von sogenannten “Wearables” (am Körper getragene Minicomputer, wie zum Beispiel Armbänder) mit personalisierten Accounts und Profilen übermittelt werden, so zum Beispiel Laufstrecke und Zeiten beim Jogging oder die Herzfrequenz beim Fitnesstraining. Experten rechnen vor, dass sich die Menge der Daten, die innerhalb eines Jahres erzeugt werden, bis 2025 alle zwei Jahre annähernd verdoppeln wird.
Chancen und Gefahren der Datensammlung
Der Nutzen für Anbieter und Unternehmen liegt auf der Hand: Je mehr Details über den jeweiligen Nutzer bekannt sind, desto besser lassen sich Verkaufsangebote kanalisieren und Kaufanreize maßschneidern. Auch für den Kunden hat dies den Vorteil, dass die Menge der ungewollten und unpassenden Werbeansprachen sinkt und im Idealfall eigene Bedürfnisse sogar vorausgeahnt und entsprechend beworben werden. Wenn zum Beispiel ein Nutzer online ein Paar Sportschuhe kauft, könnten Anzeigen für Sportkurse oder andere Trainingskleidung folgen.
Die Fülle der Daten, die jeden Tag neu erhoben werden, birgt aber auch reale Gefahren:
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Viele Anbieter von kostenfreien Online-Angeboten haben ihren Sitz in Ländern, in denen Rechte bei Verstößen gegen den Datenschutz möglicherweise nur schwer durchsetzbar sind.
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Für Wearables und Fitness-Apps gilt dazu, dass die erhobenen Gesundheitsdaten besonders sensible personenbezogene Informationen sind. Der Verkauf solcher Daten an beispielsweise Versicherungen könnte für den Nutzer konkrete finanzielle Folgen bedeuten.
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Auch bei der Nutzung von sogenannten Messenger-Diensten ist Vorsicht geboten, denn einige dieser Dienste lesen Kontaktdaten aus dem Adressbuch aus und sammeln so über Umwege Daten über Dritte.
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Außerdem können Nachrichten bei unverschlüsselter Versendung potenziell abgefangen und mitgelesen werden. So liefern Nutzer wertvolle Informationen über sich selbst und den Freundeskreis.
Vorsichtsmaßnahmen gegen ungewollte Datenpreisgabe
Gegen die Aufzeichnung von personalisierten Daten können Nutzer bei ihren Online-Aktivitäten technische Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und Daten anonymisieren bzw. nicht mehr auswertbar machen.
Zum Beispiel können Spuren, die beim Surfen im Netz entstehen, durch das Löschen von sogenannten “Cookies” verwischt werden.
Ein Cookie ist eine kleine Datei, die von einer Website beim Aufruf auf dem Rechner gespeichert wird. In dieser Datei können verschiedenste Informationen gespeichert werden, wie zum Beispiel Spracheinstellungen, Namen, Adresse oder Kaufartikel, die der Nutzer sich angeschaut hat.
Der Vorteil von Cookies für den Verbraucher ist, dass die bei einem früheren Besuch der Webseite bereits eingegebenen Daten wiederverwendet werden können und damit das Surfen komfortabler wird. Allerdings erlaubt der Nutzer dem Webseitenanbieter damit auch, Rückschlüsse auf die eigene Person zu ziehen.
Eine weitere Maßnahme, sich vor ungewollter Datenpreisgabe zu schützen, ist die Verwendung von anonymen Surfprogrammen
Solche Programme verschlüsseln Verbindungsdaten und verschleiern die Internetkommunikation. So können Online-Aktivitäten nicht mehr mit Personendaten verknüpft werden.
Aber Vorsicht:
Das gilt natürlich nur, solange der Nutzer sich nicht in mit einem personalisierten Account bei einem Online-Dienst anmeldet.
Die Kontrolle über die eigenen Daten zurückgewinnen
Trotz allen technischen Vorsichtsmaßnahmen ist aber das Nutzerverhalten der eigentliche Schlüssel zu einem kontrollierten Umgang mit den eigenen Daten im Internet. Dazu hilft im ersten Schritt schon, sich bewusst zu machen, dass kostenfreie Online-Angebote zwar kein Geld verlangen, dafür aber als Gegenleistung nach personenbezogenen Angaben Ausschau halten. Mit diesem Bewusstsein können Nutzer beim Online-Einkaufen oder bei Bankgeschäften im Internet, bei der Nutzung von Sozialen Medien und Suchmaschinen oder bei der Nutzung von Apps auf Mobiltelefonen und Tablets selbst entscheiden, wem man welche Informationen übergibt.
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Jeder Nutzer hat außerdem das Recht gegenüber Anbietern von (kostenfreien) Online-Angeboten, einen Einblick in die gespeicherten Daten zu erhalten. Dies kann zum Beispiel eine Auskunft sein, welche Daten erhoben wurden und wozu sie verwendet werden.
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Daneben kann man die Löschung, Benachrichtigung, Sperrung oder Berichtigung von personenbezogenen Daten beantragen.
Einige Anbieter haben dafür bereits sogenannte Dashboards eingerichtet, auf denen die hinterlegten Informationen eines Accounts eingesehen werden können. Andere Unternehmen dagegen beantworten Anfragen nach den eigenen erhobenen Datenprofilen nur widerwillig oder unzureichend. Die Recherche nach den eigenen Daten kann daher eine zeitaufwendige Sache werden.
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