Sonderanfertigungen: Widerrufsrecht bei "Maßgeschneidertem"?
Von: Redaktion VZ - Verbraucherzentrale Bayern
In diesem Beitrag finden Sie
- Was sind Sonderanfertigungen?
- Rechtslage bei Sonderanfertigungen
- Widerrufsrecht bei Möglichkeiten zur Demontage
Was sind Sonderanfertigungen?
Passt die Standardgröße nicht, weil die Ärmel zu kurz oder das Schulterpolster zu breit sind, so kann auf Wunsch ein Anzug nach Maß angefertigt werden. Wählbar sind dabei auch Stoffe und andere Besonderheiten. Bei einer solch individuell ausgewählten oder bestimmten oder auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers oder der Verbraucherin zugeschnittene Ware, handelt es sich um eine sogenannte Sonderanfertigung. Die Ware wird nach den individuellen Wünschen des Kunden/der Kundin hergestellt, bei einem Anzug insb. nach der persönlichen Größe.
Rechtslage bei Sonderanfertigungen
Bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den/die Verbraucher/-in maßgeblich ist oder die eindeutig auf dessen/deren persönliche Bedürfnisse zugeschnitten sind, besteht gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 1 BGB kein Widerrufsrecht. Eine Rücknahme ist für den/die Unternehmer/-in wirtschaftlich wertlos, da sie derartig individualisiert wurde. Entweder kann der/die Unternehmer/-in sie nicht mehr anderweitig oder nur unter erhöhten Schwierigkeiten mit erheblichem Preisnachlass absetzen. Es kommt dabei nicht auf den Zeitpunkt der Anfertigung der Ware an. Maßgeblich ist, ob die Ware erst nach den besonderen Wünschen des Kunden/der Kundin hergestellt worden ist.
Notebooks: Widerrufsrecht bei Möglichkeiten zur Demontage
Sonderanfertigungen kommen jedoch bei weitem nicht nur im Textilgewerbe vor: Gerade im Versandhandel mit Computern kaufen Kund/-innen häufig kein vorkonfiguriertes System, sondern stellen sich "ihren PC" selbst zusammen: Sie suchen sich eine bestimmte Festplatte und Grafikkarte aus, bestimmen wie viel Arbeitsspeicher das Gerät haben soll und ob zusätzliche Hardware eingebaut wird.
Der Bundesgerichtshof (Az: VIII ZR 295/01) hat im Falle eines so zusammengestellten Notebooks entschieden, dass Verbraucher/-innen auch in diesen Fällen ein Widerrufsrecht zusteht. Zwar sei das Notebook nach den Wünschen des Kunden bzw. der Kundin ausgestattet worden, so dass das Notebook in dieser Zusammenstellung nur zufällig eine/-n andere/-n Käufer/-in finden dürfte. Jedoch besteht für Händler/-innen nach wie vor die Möglichkeit, das Notebook wirtschaftlich zu verwerten.
Entscheidend ist nämlich, dass die Teile ohne verhältnismäßig großen Aufwand wieder getrennt werden können, ohne dass es zu einer Beeinträchtigung ihrer Substanz oder Funktionsfähigkeit kommt.
Verhältnismäßigkeit ist laut BGH dann gegeben, wenn die Kosten der Demontage weniger als 5% des Warenwertes ausmachen. Bei Computersystemen ist dies regelmäßig der Fall.
Fazit:
Ein Widerrufsrecht bei Sonderanfertigungen kann unter Umständen dann bestehen, wenn der Mehraufwand bzw. die Sonderwünsche sich vom Standardprodukt leicht entfernen lassen können. Dies ist immer eine Frage des Einzelfalls. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass ein Widerrufsrecht gerade im Textilbereich bei Sonderanfertigungen ausgeschlossen ist.
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
Alle Artikel zum Thema
Schenken, Tauschen, Leihen, Mieten
- Zeitschriftenabonnement: Wichtige Rechtsfragen
- Die Schnecke im Salat: Rechtsfragen rund um Bewirtungsverträge
- Leasing: Arten und deren Risiken
- Sonderanfertigungen: Rechte der Kunden
- Einlösen von Pfandbons für Leergut: Worauf Verbraucher achten müssen
- Ratenlieferungsverträge
- Schenken und Beschenkt werden: Rechtliche Tipps
- Sharing Economy: Chancen und Risiken des digitalen Teilens
- Spenden: Wissenswertes in Fragen und Antworten
- Timesharing: Teilzeit-Wohnrechte-Verträge
- Geschenkgutscheine: Einlösung, Befristung und Verjährung
- Mietwagen: Was bei Übernahme und Vertrag zu beachten ist