Pay as you drive: Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung
Von: Verbraucherzentrale Bayern e.V.
In diesem Beitrag finden Sie
- Was ist Telematik?
- Wie funktionieren Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung?
- Welche Vorteile gibt es?
- Mit welchen Risiken muss man rechnen?
- Welche Entwicklungen sind zu erwarten?
Was ist Telematik?
Telematik meint die technische Erfassung von Daten und elektronische Weiterleitung an eine/-n Empfänger/-in. Verschiedene Informationen sollen mittels Telekommunikation und Informatik (Telematik) auswertbar verknüpft werden. Die Anwendungsbereiche sind dafür vielfältig. Sei es die Automatisierung von Gebäuden, das bargeldlose Bezahlen oder auch das Fahrverhalten von Verkehrsteilnehmer/-innen. Praktisch überall wo elektronische Daten entstehen, können Telematik-Lösungen greifen.
Wie funktionieren Telematik-Tarife in der KFZ-Versicherung?
Nach amerikanischem Vorbild „Pay as you drive“ (Zahle, wie du fährst), bieten auch die ersten deutschen Kfz-Versicherer günstigere Beiträge an, wenn der/die Versicherte dafür bereit ist sein/ihr Fahrverhalten lückenlos offenzulegen und an Vorgaben anzupassen.
Dafür wird meist eine Smartphone-App auch in Kombination mit einem Modul oder einer Box im Fahrzeug zur Datenerhebung eingesetzt. Tempo, Fahrtrichtung, Bremsverhalten und Beschleunigung werden so ständig protokolliert und das Fahrzeug über GPS geortet. Alle gesammelten Daten werden über das Mobilfunknetz an einen Dienstleister der Versicherung gesendet.
Die erhobenen Daten werden mit weiteren Daten aus anderen Quellen angereichert, etwa
- Typ der befahrenen Straße (Autobahn, Bundes-, Landstraße)
- Bevölkerungsdichte der Umgebung
- Wetterdaten
- Geschwindigkeitsbegrenzungen
Das System errechnet daraus einen Punktewert (Score von 0-100), nachdem sich die Prämienreduzierung bestimmt. Fahrten und Verläufe können auch Versicherte jederzeit online nachverfolgen. Als Alternative zur Box können die Daten über eine Telematik-App vom Smartphone der Versicherten versendet werden. Auf diese Weise wird jede Fahrt aufgezeichnet und kann analysiert werden. Theoretisch kann ein/-e vorbildliche/-r Fahrer/-in maximal 100 Punkte für eine Fahrt sammeln. Dazu muss
- er/sie den Stadtverkehr meiden,
- sei/er auf lange Strecken sowie Nachtfahrten zwischen 23 und 5 Uhr verzichten und
- darf natürlich keine Geschwindigkeitsübertretungen riskieren.
Diese Verhaltensweisen verschlechtern den Scorewert, so dass in der Praxis die volle Punktzahl praktisch nicht erreicht wird. Daher fallen Rabatte auch bereits ab 80 Punkten an.
Welche Vorteile gibt es?
Die Versicherer, die Telematik-Tarife anbieten, locken mit Prämienrabatten von 5% bis zu 30%.
Letzteres erfordert jedoch einen sehr hohen Scorewert und ist daher eher theoretischer Natur. Denn es ist extrem schwierig über einen Score von 90 zu kommen.
Zudem wird man zu einer vorsichtigen und wirtschaftlichen Fahrweise angehalten. Dies führt dann auch zu einer Reduzierung von Verkehrsunfällen. Bei einem Diebstahl kann das Fahrzeug geortet und wiedergefunden werden.
Mit welchen Risiken muss man rechnen?
Mit der dauerhaften Überwachung des Fahrverhaltens erlauben Versicherte weite Einblicke in ihren Alltag. Mit den Telematik-Daten könnten persönliche Verhaltensprofile erstellt werden. Bei Verkehrsdelikten könnten diese Daten auch gegen Versicherte verwendet werden.
Arbeitgeber/-innen können Arbeitnehmer/-innen im Dienstwagen online verfolgen. Entsprechend wäre dies auch unter Eheleuten möglich. Wer den Telematik-Tarif nutzt, muss sich also darauf verlassen, dass der Datenschutz funktioniert. Datenpannen sind bislang keine bekannt. Was passiert aber, wenn das System eine Fehlfunktion hat? Auch hierzu sind noch keine Praxiserfahrungen veröffentlicht worden.
Welche Entwicklungen sind mit Telematik zu erwarten?
Sollten sich die Telematik-Tarife verbreiten, werden die herkömmlichen Kfz-Tarife teurer. Vorsichtige Fahrer/-innen würden eher die verhaltensabhängigen Tarife wählen. Vielfahrende mit höherem Unfallrisiko hingegen würden in den Normaltarifen verbleiben, was zu einer Verteuerung führen wird. Im schlechtesten Fall könnten einzelne Personen gar keinen bezahlbaren Versicherungsschutz bekommen.
Wem es nur die eine Beitragsersparnis geht, der/die kann dies genauso gut auch ohne die Preisgabe von Daten durch den regelmäßigen Wechsel von klassischen Kfz-Tarifen erreichen.
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