Reisevertrag / Pauschalreisevertrag: Begriff, Rechte und Pflichten
Die Reise maßgeschneidert zusammenstellen oder doch lieber ein fertiges Paket wählen? Individualreise oder Pauschalreise?
Der Reisende hat die Qual der Wahl. Wir erklären im Folgenden die rechtlichen Unterschiede.
In diesem Beitrag finden Sie
Begriff der Individualreise
Von einer Individualreise spricht man, wenn der Reisende die einzelnen Reiseleistungen, z.B. Flug, Unterkunft, Mietwagen oder Ausflüge, individuell zusammenstellt und bucht.
Der Reisende schließt dementsprechend verschiedene Verträge mit verschiedenen Vertragspartnern. Er schließt beispielsweise einen Beförderungsvertrag mit der Fluggesellschaft, einen Beherbergungsvertrag mit dem Hotel und einen Mietvertrag mit dem Autovermieter.
Der Vorteil einer Individualreise ist, dass der Reisende seinen Urlaub nach seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen planen und zusammenstellen kann. Er kann den Zeitplan selbst bestimmen und frei entscheiden, welche Orte und Ausflugsziele er besuchen möchte.
Der Nachteil ist, dass er einen größeren Organisationsaufwand hat. Er muss nicht nur alle Leistungen selbst buchen, sondern sich auch über das Reiseland sowie die Einreise- und Sicherheitsbestimmungen informieren. Im Streitfall muss er sich mit den verschiedenen Vertragspartnern einzeln auseinandersetzen.
Begriff der Pauschalreise
Der Begriff der Pauschalreise ist seit dem 01.07.2018 in § 651 a Abs. 2 BGB gesetzlich definiert. Hiernach ist eine Pauschalreise eine Gesamtheit von mindesten zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise.
In der Regel werden Pauschalreisen von einem Veranstalter zusammengestellt und dem Verbraucher angeboten. Dabei muss der Reiseveranstalter mindestens zwei einzelne Reiseleistungen (sog. selbstständige Hauptleistungen) erbringen. Davon ist bei den folgenden Beispielen auszugehen:
- Beförderung (z.B. Busfahrt, Flug) und Unterkunft
- Busfahrt und Skikurs
- Beförderung und Mietwagen
- Unterkunft und Wellnessprogramm
- Unterkunft und Sprachschule
Der Begriff der Pauschalreise setzt weiter voraus, dass die Leistungen gebündelt, d.h. nach einem im Voraus festgelegten Programm als Paket angeboten werden. Dabei reicht es, wenn die Bündelung vor Vertragsschluss erfolgt. Ein Indiz für eine vorherige Bündelung können der Prospekt, der Gesamtpreis oder die Ausgabe eines Sicherungsscheins sein.
Von einer Bündelung ist auch dann auszugehen, wenn einzelne Leistungen aus einem vorgegebenen Katalog nach dem Baukastenprinzip kombiniert werden. Es handelt sich dann um ein eigenes Produkt des Veranstalters aus Sicht des Verbrauchers.
Auch beim so genannten „Dynamic Packaging“ werden mehrere Leistungen von unterschiedlichen Leistungsträgern zu einem Gesamtangebot- und- preis gebündelt. In Echtzeit werden die Reiseleistungen aus unterschiedlichen Quellen je nach Kundenwunsch zusammengestellt und gebucht. Bedeutung haben insoweit die Online-Reiseportale.
Eine Pauschalreise liegt nicht vor, wenn eine Reisleistung als ein wesensmäßiger Bestandteil einer anderen Reiseleistung einzustufen ist. Davon ist z.B. bei der Buchung eines Hotelaufenthalts mit Verpflegung auszugehen. Übernachtung und Verpflegung stellen eine einheitliche Leistung dar. Als weiteres Beispiel ist hier die Nutzung des hoteleigenen Wellnessbereichs zu nennen.
Vor Umsetzung der Reiserechtlinie wurden Ferienhäuser, die bei einem Reiseveranstalter gebucht wurden, noch vom Reiserecht umfasst. Dies hat der Gesetzgeber jetzt geändert. Bei der Buchung von Ferienhäusern ist jetzt auf allgemeinen gesetzlichen Regelungen, insbesondere das Mietrecht zurückzugreifen.
In § 651a Abs. 5 BGB befinden sich weitere Aufzählungen, wann das neue Pauschalreiserecht nicht anzuwenden ist. Beispielsweise handelt es sich nicht um einen Pauschalreise, wenn die Reise weniger als 24 Stunden beträgt und deren Reisepreis 500 Euro nicht übersteigt.
Der Vorteil einer Pauschalreise gegenüber einer Individualreise ist, dass der Organisationsaufwand geringer ist. Darüber hinaus hat der Reisende im Streitfall nur einen Ansprechpartner, und zwar den Reiseveranstalter.
Handelt es sich um eine Pauschalreise, findet das Pauschalreiserecht, das in den §§ 651a ff. BGB geregelt ist, Anwendung. Die Vorschriften gehen den dienst-, werk- und mietvertragsrechtlichen Vorschriften vor, die für Individualreiseverträge gelten.
Sicherungsschein
Da eine Pauschalreise für den einzelnen Verbraucher oftmals mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden ist, ist der Reiseveranstalter verpflichtet, dem Reisenden einen so genannten Sicherungsschein zu übergeben. Hierdurch soll der Kunde im Fall der Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert werden. Zumal wird der gesamte Reisepreis oder eine nicht unerhebliche Anzahlung bereits vor Reiseantritt an den Reiseveranstalter gezahlt.
Der Reiseveranstalter muss für den Fall seiner Zahlungsunfähigkeit eine Versicherung abschließen. Diese gewährleistet, dass der Kunde den gezahlten Reisepreis erstattet bekommt, sofern gebuchte Reiseleistungen in Folge der Zahlungsunfähigkeit nicht erbracht werden können. Außerdem muss sichergestellt sein, dass der Reisende die Aufwendungen ersetzt erhält, die für die Rückreise entstehen. Bei dem Sicherungsschein handelt es sich um die Bestätigung, dass der Reisveranstalter eine solche Versicherung abgeschlossen hat.
Nach § 651t BGB kann der Reisende die Bezahlung des Reisepreises verweigern, bis ihm vom Reiseveranstalter ein Sicherungsschein übergeben wurde. Keinesfalls sollte man deswegen etwas bezahlen, bevor man nicht den Sicherungsschein in Händen hält.
Rechte und Pflichten aus dem Pauschalreisevertrag
Der Reiseveranstalter einer Pauschalreise ist verpflichtet, dem Reisenden die Gesamtheit von Reiseleistungen zu erbringen. Der Reisende muss indes den vereinbarten Reisepreis zahlen. Geregelt sind diese Pflichten in § 651a Abs. 1 BGB.
Nach § 651i Abs. 1 BGB hat der Reiseveranstalter dem Reisenden die Pauschalreise frei von Reisemängeln zu verschaffen. Ob ein solcher Reisemangel vorliegt, ist davon abhängig, welche Vereinbarung mit dem Reiseveranstalter getroffen wurde, also was Vertragsinhalt geworden ist. Hier kann häufig ein Blick in die Reisebestätigung, in den Reiseprospekt oder auf die Webseite des Reiseveranstalters weiterhelfen. Wurde Beispielsweise ein Zimmer mit Meerblick gebucht, und ist dieses vor Ort nicht mehr verfügbar, handelt es sich hierbei um einen Mangel. Ein Reisemangel liegt auch dann vor, wenn das Urlaubsziel erst mit erheblicher Verspätung erreicht wird oder das Gepäck auf dem Flug verloren geht.
Liegt ein Reisemangel vor, kann der Reisende vom Reiseveranstalter Abhilfe verlangen. Darüber hinaus kann der Verbraucher ggf. den Reisepreis mindern, Schadensersatz verlangen oder den Vertrag kündigen. Nähere Informationen dazu finden Sie in dem Artikel Rechte des Reisenden bei Mängeln.
Rücktritt vor Reisebeginn
Der Reisende kann vor Reisebeginn jederzeit vom Reisevertrag ohne Nennung von Gründen zurücktreten, § 651 h Abs. 1 BGB.
Der Reiseveranstalter verliert in diesem Fall den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann aber eine Entschädigung vom Reisenden verlangen. Diese bemisst sich aus dem Reisepreis abzüglich ersparter Aufwendungen.
Da ein solcher Nachweis für den Reiseveranstalter nicht einfach ist, erlaubt das Gesetz in § 651h Abs. 2 BGB, dass der Reiseveranstalter in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine angemessene Entschädigungspauschale festlegen kann. Meist erfolgt hierbei eine Staffelung: je früher der Reisende von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht, desto weniger "Stornokosten" hat er zu bezahlen. Erfolgt der Rücktritt unmittelbar vor Reiseantritt, kann es sein, dass der Veranstalter als Ersatz nahezu den vollen Reisepreis verlangt.
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