Vertragslösung durch Widerruf
Von: Verbraucherzentrale Bayern e.V.
Ein wesentliches Instrument des Verbraucherschutzrechtes ist die Gewährung eines Widerrufsrechts. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie wurde das bestehende Widerrufsrecht geändert. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Widerrufsrecht und der geänderten Rechtslage ab dem 13.06.2014.
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Geltung des Widerrufsrechts
Im deutschen Zivilrecht gilt der Grundsatz, dass die Vertragsparteien an einen geschlossenen Vertrag gebunden sind und sich nur in Ausnahmefällen von diesem lösen können. Ein solcher Ausnahmefall besteht beispielsweise dann, wenn einer Vertragspartei ein Widerrufsrecht eingeräumt wird.
Ein Widerrufsrecht wird per Gesetz für Verträge mit bestimmten Vertriebsformen gewährt.
Darunter fallen
außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und
Fernabsatzverträge.
Das Widerrufsrecht für diese Verträge ist in den §§ 312 g, 355 f. BGB geregelt.
Darüber hinaus wird für bestimmte Vertragsarten ein Widerrufsrecht eingeräumt.
Darunter fallen
Teilzeit-Wohnrechteverträge,
Verträge über ein langfristiges Urlaubsprodukt,
Vermittlungsverträge,
Tauschsystemverträge,
Verbraucherdarlehensverträge,
Ratenlieferungsverträge (§§ 356 a bis 356 c BGB)
unentgeltliche Darlehensverträge und unentgeltliche Finanzierungshilfen (§§ 356 a bis 356 d BGB), sowie seit 01.01.2018
Verbraucherbauverträge (§650 i BGB).
Voraussetzungen des Widerrufsrechts
- Erste Voraussetzung für das Bestehen eines Widerrufsrechts ist ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbrauchervertrag im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB).
- Zudem muss ein Vertrag vorliegen, bei welchem dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt wird, wie z.B. ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag, ein Fernabsatzvertrag oder einer der oben genannten Vertragsarten.
- Das Widerrufsrecht darf auch nicht ausgeschlossen sein.
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in § 312 g Abs. 2 BGB zahlreiche Fälle, in denen ein Widerrufsrecht ausgeschlossen wird. Beispielhaft zu nennen sind:
- Verträge über die Lieferung von maßangefertigten oder schnell verderblichen Waren oder
- Verträge über die Lieferung von Zeitungen und Zeitschriften (mit Ausnahme von Abonnementverträgen) oder
- Verträge über die Lieferung versiegelter CDs oder DVDs, wenn das Verpackungssiegel bereits entfernt worden ist
Bei Verbraucherbauverträgen ist §312 Abs. 2 BGB zu beachten. Da diese Verträge in Nr. 3 genannt sind, kommt unter anderem §312 g BGB hier nicht zur Anwendung.
- Das Widerrufsrecht darf auch nicht endgültig oder vorzeitig erloschen sein.
Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Widerrufsfrist endgültig abgelaufen ist oder der Unternehmer eine Dienstleistung mit Kenntnis und ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist vollständig erbracht hat. Der Verbraucher muss dabei bestätigen, dass er den Verlust des Widerrufsrechts zur Kenntnis genommen hat.
Widerrufsfrist
Die Widerrufsfrist beträgt einheitlich 14 Tage.
Die Frist beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB). Dies gilt insbesondere für Dienstleistungen.
Bei Wareneinkäufen beginnt die Frist mit Erhalt der Ware. Wurden mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt, beginnt die Frist mit Erhalt der letzten Lieferung. Bei einer regelmäßigen Warenlieferung über einen festgelegten Zeitraum ist der Erhalt der ersten Ware (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB) maßgeblich für den Fristbeginn.
Abweichende Regelungen zu den Widerrufsfristen finden sich auch in den Widerrufsvorschriften zu den oben genannten speziellen Vertragsarten (§ 356 a bis § 356 d BGB). So beginnt die Widerrufsfrist bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag erst, wenn der Darlehensnehmer die in § 494 Abs. 7 BGB bezeichnete Abschrift des Vertrages erhalten hat.
Der Unternehmer muss den Verbraucher vor Vertragsschluss über sein Widerrufsrecht belehren (s. Widerrufsbelehrung).
Unterbleibt die Belehrung oder ist sie fehlerhaft, beginnt die Widerrufsfrist nicht.
Maßgeblich für den Fristbeginn sind somit die Informationspflichten zum Widerrufsrecht.
Es gibt jedoch kein „ewiges Widerrufsrecht“ mehr:
Das Widerrufsrecht erlischt in jedem Fall spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem eigentlichen Fristbeginn.
Der Unternehmer kann die Belehrung noch innerhalb dieser Zeit nachholen. In diesem Fall beginnt die 14tägige Frist ab dem Zeitpunkt der Belehrung.
Nur bei Verträgen über Finanzdienstleistungen (sofern das Widerrufsrecht nicht wegen der finanzmarktbedingten Preisschwankungen ausgeschlossen ist, § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 BGB) und bei Verbraucherkreditverträgen gilt noch eine unbefristete Widerrufbarkeit bei einer unterbliebenen oder nicht ordnungsgemäßen Belehrung.
Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag sowie bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag verlängert sich die Widerrufsfrist auf einen Monat, wenn die dem Darlehensnehmer zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde zunächst nicht den gesetzlich in Art. 247 §§6-13 EGBGB vorgeschriebenen Inhalt hatte und die fehlenden Angaben nachgeholt wurden. Das Widerrufsrecht bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erlischt wiederum spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss.
Auch bei unentgeltlichen Darlehensverträgen und unentgeltlichen Finanzierungshilfen gilt kein „ewiges“ Widerrufsrecht, es erlischt spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen.
Gleiches gilt für Verbraucherbauverträge: §356 e S. 2 BGB begrenzt die Widerrufsfrist des in §650 l BGB begründeten Widerrufsrechts auf höchstens ein Jahr und 14 Tage.
Widerrufserklärung
Der Verbraucher muss den Widerruf ausdrücklich gegenüber dem Unternehmer erklären.
Eine kommentarlose Rücksendung der Sache reicht für einen wirksamen Widerruf nicht mehr aus.
Aus der Erklärung muss eindeutig hervorgehen, dass ein Widerruf gewünscht ist. Zwar ist dabei die Verwendung des Begriffs „Widerruf“ nicht zwingend vorgeschrieben, sollte aber dennoch verwendet werden, um Missverständnisse zu vermeiden.
Der Widerruf kann in beliebiger Form abgegeben werden. Eine Textform ist nicht mehr erforderlich. Aus Beweisgründen sollte der Widerruf jedoch nicht mündlich erfolgen. Vielmehr wird empfohlen, den Widerruf schriftlich per Brief, E-Mail, Fax oder auf der Homepage des Unternehmers zu erklären.
Neu ist die Einführung eines Musterwiderrufsformulars. Der Unternehmen kann das Musterwiderrufsformular oder eine andere Widerrufsbelehrung auf der Webseite einstellen und dem Verbraucher die Möglichkeit geben, dieses dort direkt auszufüllen und abzusenden. Nutzt der Verbraucher dieses Angebot, muss der Unternehmer dem Verbraucher den Zugang unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen. Die Zugangsbestätigung sollte gespeichert werden. Falls keine Bestätigung kommt, sollte auf einem anderen Weg nochmals widerrufen werden.
Für die Einhaltung der Frist reicht die rechtzeitige Absendung der Erklärung innerhalb der 14 Tage.
Rechtsfolgen des Widerrufs
Der wirksam erklärte Widerruf führt dazu, dass der Verbraucher nicht länger an die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung und damit nicht länger an den Vertrag gebunden ist.
Wurden bis zur Erklärung des Widerrufs noch keine Leistungen ausgetauscht, ist die Angelegenheit erledigt. Eine Rückabwicklung des Vertrages ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Wurden bereits Leistungen ausgetauscht, müssen die empfangenen Leistungen nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB unverzüglich zurückgewährt werden.
Im Falle von Fernabsatzgeschäften und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kommt § 357 BGB zur Anwendung.
Es gilt Folgendes:
Der Verbraucher muss die bereits erhaltene Ware innerhalb von 14 Tagen nach Abgabe der Widerrufserklärung an den Unternehmer zurücksenden. Der Unternehmer muss den erhaltenen Zahlungsbetrag innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Widerrufserklärung an den Verbraucher erstatten. Soweit der Unternehmer nicht angeboten hat, die Waren abzuholen, kann er die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher einen Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat.
Rücksendekosten
Die Rücksendekosten trägt nun grundsätzlich der Verbraucher, wenn der Unternehmer ihn vor Vertragsschluss darüber informiert hat. Der Unternehmer kann aber auch freiwillig die Kosten der Rücksendung übernehmen. Ferner besteht eine Abholungspflicht des Unternehmers bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag, wenn die Ware nicht per Post versendbar ist.
Geht die Ware bei der Rücksendung unter, muss der Unternehmer dafür einstehen. Dieses Risiko darf nicht dem Verbraucher auferlegt werden.
Lieferkosten
Nach .§ 357 Abs. 2 S. 1 BGB muss der Unternehmer dem Verbraucher auch die geleisteten Zahlungen für die Lieferung der Ware erstatten. Zu beachten ist jedoch, dass nur die Kosten der günstigsten Standardlieferung vom Unternehmer ersetzt werden müssen. Darüber hinaus gehende Lieferkosten müssen vom Verbraucher selbst getragen werden.
Wertersatz
Für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen muss der Verbraucher auch nach den neuen Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen Wertersatz leisten. Das Gesetz unterscheidet beim Wertersatz zwischen Warenkäufen und Dienstleistungen.
Bei Warenkäufen gilt:
- Ist eine Rückgewähr des Kaufgegenstandes nicht mehr möglich, muss Wertersatz geleistet werden. Der Wertersatz richtet sich nach dem vereinbarten Kaufpreis.
- Der Wertersatz muss allerdings nur gezahlt werden, wenn der Verbraucher vor Vertragsschluss ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert worden ist und der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig war. Dies ist in § 357 Abs. 7 BGB geregelt. Das Prüfungsrecht geht dabei so weit, wie es bei einem Kauf im Ladengeschäft möglich wäre. So soll die Möglichkeit des Ausprobierens der Ware, die beim Onlinehandel im Vergleich zum Kauf im Ladengeschäft naturgemäß nicht besteht, geschaffen werden.
Bei Dienstleistungen gilt:
- Auch bei Dienstleistungen oder einem Vertrag über eine Energielieferung muss der Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen Wertersatz leisten. Nach § 357 Abs. 8 BGB schuldet er dem Unternehmer Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn er ausdrücklich verlangt hat, dass der Unternehmer innerhalb der Widerrufsfrist mit der Leistung beginnt und er vor Vertragsschluss wirksam über sein Widerrufsrecht belehrt wurde. Der Wertersatz orientiert sich in diesem Fall am Gesamtpreis. Ist dieser zu hoch, am Marktwert, der üblichen oder angemessenen Vergütung.
- Keinen Wertersatz muss der Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von digitalen Inhalten leisten, die sich nicht auf einem körperlichen Datenträger befinden. Darunter fällt z.B. der Download von Musiktiteln, eBooks oder auch Streaming von Filmen oder Serien.
- Bei Finanzdienstleistungen ist der Verbraucher zur Zahlung eines Wertersatzes verpflichtet, wenn er auf die Rechtsfolge hingewiesen worden ist und er der Ausführung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist ausdrücklich zugestimmt hat (§ 357 a Abs. 2 BGB). Die empfangenen Leistungen sind in diesem Fall spätestens nach 30 Tagen zurückzugewähren.
- Auch bei Verbraucherbauverträgen gilt grundsätzlich eine Wertersatzpflicht, wenn die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistungen ihrer Natur nach ausgeschlossen ist (§357 d BGB), wobei für die Berechnung des Wertersatzes die vereinbarte Vergütung zugrunde zu legen ist. Ist diese unverhältnismäßig hoch, bildet der Marktwert die Grundlage der Berechnung.
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