Mängel auf Reisen: Begriff, Ansprüche, Beweislast
Die schönsten Wochen des Jahres sind endlich da!
Doch statt Erholung zu finden, jagt ein Ärger den nächsten. Schon auf dem Hinflug stellt sich heraus, dass der Flug überbucht ist. Nachdem man endlich einen Ersatzflug bei einer obskuren Fluggesellschaft bekommen hat, trifft man mit 10-stündiger Verspätung und zwei Zwischenlandungen endlich um 4 Uhr morgens im Hotel ein. Dort hat sich das Personal längst zur wohlverdienten Ruhe begeben. Gegen 7 Uhr ist der Rezeptionist dann doch bereit, wenn auch noch etwas schlaftrunken, dem Gast das gebuchte Zimmer zuzuweisen. Es entpuppt sich als schmuddelige, fensterlose Kammer und statt der erwarteten Dusche gibt es fließendes Wasser von den Wänden. So möchte man sich wenigstens an dem, im Katalog angepriesenen, Frühstückbüffet stärken. Dieses entlarvt sich als einfallslose Massenabfertigung. Aber nun endlich an den Traumstrand! Statt feinem Sandstrand, breitet sich eine schmutzige Steinwüste vor den entsetzten Augen aus.
Der Gast wünscht sich nur noch nach Hause.
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Begriff des Reisemangels
Zugegeben, das ist natürlich ein Horrorszenario, wie es in dieser geballten Form wohl nicht oder nur ganz selten vorkommt. Treten wirklich einmal Mängel auf, so sind meist nur einzelne Reiseleistungen betroffen. Das kann aber unangenehm genug sein.
Reisemängel können vielgestaltig sein und vor Reisebeginn, im Rahmen der Beförderung oder vor Ort bei der Unterbringung auftreten.
Was genau unter einem Reisemangel zu verstehen ist, ist in § 651i Abs. 2 BGB ausgeführt.
Danach hat der Reiseveranstalter eine Pauschalreise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist.
Ein Fehler liegt dann vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Pauschalreise (Ist-Beschaffenheit) von derjenigen abweicht, welche die beiden Vertragsparteien bei Vertragsabschluss vereinbart oder gemeinsam vorausgesetzt haben (Soll-Beschaffenheit) und dadurch der Nutzen der Reise aufgehoben oder gemindert wird.
Katalogbeschreibung und Buchungsbestätigung
Was vereinbart wurde, bestimmt sich vorrangig nach der Reisebestätigung und den darin enthaltenen Angaben über die Reiseleistungen sowie nach den Angaben in Katalogen, Prospekten, Flyern und sonstigen Reisebeschreibungen des Veranstalters einschließlich der abgebildeten Fotos.
Es empfiehlt sich daher, die Buchungsbestätigung und die Prospektangaben genau zu lesen und darauf zu achten, dass alle Punkte, die für einen wesentlich sind, in der Buchungsbestätigung festgehalten werden.
Fehlt es an einer Vereinbarung zwischen dem Reiseveranstalter und dem Reisenden, ist die konkrete Beschaffenheit maßgeblich, die ein durchschnittlicher Reisender erwarten darf.
Prospektchinesisch
Das richtige Lesen des Prospektes stellt oftmals gewisse Anforderungen an den Reisenden. So verbirgt sich hinter wohlklingenden Formulierungen manche Überraschung. "Meerblick" kann bedeuten, dass man das Meer nur erspäht, wenn man sich an die äußerste Ecke des Balkons lehnt. Unter "familienfreundlich" verstehen manche Reiseveranstalter, dass man im Domizil auf eine Unzahl quengelnder Kleinkinder trifft. Ein "Naturstrand" kann sich als "naturbelassen" und damit ungepflegt herausstellen, übersät mit Müll. Bei einem Zimmer im "griechischen Stil" sollte man nicht viel mehr als ein Bett, einen Tisch und einen Stuhl erwarten.
Haftung des Reiseveranstalters
Der Reiseveranstalter haftet grundsätzlich nicht für jeden Mangel, sondern nur für solche, die aus seinem vertraglichen Verantwortungs- und Organisationsbereich stammen.
Er muss dafür einstehen, dass die Reise die von ihm zugesicherten Eigenschaften aufweist und die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Zudem muss er für die ausdrücklichen und stillschweigenden Zusicherungen seiner Mitarbeiter einstehen.
Es ist unerheblich, ob der Reiseveranstalter die Beeinträchtigung zu vertreten hat. Er haftet verschuldensunabhängig für beinflussbare und nicht beeinflussbare Risiken, soweit sie nicht zum allgemeinen Lebensrisiko zählen. Hierunter fallen auch Beeinträchtigungen aufgrund von höherer Gewalt (z.B. Naturkatastrophen, Krieg oder Terroranschlägen), soweit sie sich auf die geschuldete Leistung auswirken.
Bei der Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos, wie z.B. eines Bienenschwarms oder einer Algenplage am Urlaubsort, haftet der Reiseveranstalter hingegen nicht.
Störungen aus der Sphäre des Reisenden führen ebenfalls nicht zu einer Einstandspflicht des Reiseveranstalters. Dazu zählen z.B. Krankheit, ein Badeunfall im Meer oder das allgemeine Unfallrisiko im Straßenverkehr. Dies wird nur dann anders gesehen, wenn der Unfall direkt im Zusammenhang mit dem Pflichtenkreis des Veranstalters steht oder wenn eine ungewöhnliche hohe konkrete Gefahr besteht. Dann muss zumindest eine Warnung erfolgen.
Bloße Unannehmlichkeiten
Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen einem Reisemangel und einer bloßen Unannehmlichkeit. Dies ist nicht immer einfach.
Bloße Unannehmlichkeiten müssen vom Reisenden entschädigungslos hingenommen werden. Dabei handelt es sich um objektive Geringfügigkeiten, subjektive Empfindlichkeiten oder z.B. um spezifische, mit dem Massentourismus einhergehende, Beeinträchtigungen.
Häufiges Handy-Klingeln während der Essenszeiten, spielende Kinder im Hotel, das Fehlen einer deutschsprachigen Bedienung im Ausland, einzelne Flecken auf der Tischdecke oder zwei Einzelbetten statt eines gebuchten Doppelbetts stellen beispielsweise noch keinen reiserechtlich relevanten Mangel dar.
Andere Länder, andere Sitten
Bei der Beurteilung, ob ein reiserechtlich relevanter Mangel vorliegt, müssen auch die Gepflogenheiten vor Ort berücksichtigt werden. Der Reisende darf im Ausland keine heimatlichen Maßstäbe erwarten, sondern muss in gewissen Grenzen abweichende Umstände in Kauf nehmen.
So ist bei der Kategorisierung der Unterkunft dem jeweiligen Landesstandard Rechnung zu tragen. Das Auftreten landestypischer Insekten und Tiere stellt nicht in jedem Fall einen Mangel dar und ohne entsprechende Angaben im Prospekt darf der Reisende nicht erwarten, dass in einem Hotel im Ausland ausschließlich deutsche Familien ihren Urlaub verbringen, die „Clubsprache" Deutsch ist und die Hotelangestellten sämtliche denkbaren Sprachen beherrschen.
Zudem ist es in vielen südlichen Ländern allgemein üblich, dass das gesellschaftliche Leben in den Sommermonaten auf die Abendstunden verlegt wird und es deswegen zu diesen Zeiten etwas lauter zugeht, als man es von zuhause gewöhnt ist.
Beweislast beim Reisenden
Ob ein Reisemangel vorliegt, muss immer im Einzelfall geprüft werden. Typische Mängel kann der Verbraucher z.B. der ADAC-Tabelle zur Reisepreisminderung entnehmen. Zu beachten ist allerdings, dass die Übersicht nur Anhaltspunkte und Richtwerte bieten kann. Eine schematische oder pauschale Betrachtung verbietet sich angesichts der Einzigartigkeit eines jeden Falles und der Vielzahl unterschiedlicher gerichtlicher Entscheidungen.
In jedem Fall liegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Reisemangels beim Reisenden. Es empfiehlt sich deshalb, den Mangel durch Fotos, Videos oder Zeugenaussagen zu belegen.
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