Einkauf und Betrieb von Multimetern
„Seien Sie nicht vermessen und gehen Sie auf Nummer sicher“
Grundsätzlich ist das Arbeiten und Messen an elektrischen Betriebsmitteln und Anlagen Sache der Elektrofachkraft. Dennoch werden diese Tätigkeiten vielfach auch im Haushalt durch Personen mit nur geringen Kenntnissen im Umgang mit dem elektrischen Strom - also elektrotechnischen Laien - ausgeführt. Beim Umgang mit Multimetern zur Messung von elektrischen Größen wird von den Anwendern vielfach das zu Grunde liegende Gefahrenpotenzial unterschätzt. Dieser Beitrag richtet sich in erster Linie an den Laien, um die damit verbundenen Gefahren deutlich zu machen.
In diesem Beitrag finden Sie
Allgemeine Einführung
Nachdem der Laie Messtätigkeiten nicht jeden Tag ausführt, wird vielfach auf preisgünstige Multimeter zurückgegriffen. Untersuchungen der Marktaufsichtsbehörden im Jahre 2006 haben gezeigt:
Nahezu alle überprüften Multimeter im Niedrigpreissegment wiesen Mängel auf.
Die häufigsten festgestellten Mängel waren (siehe auch Bericht des Regierungspräsidiums Hessen):
Formale Mängel
- Fehlende Angaben zur Messkategorie
- Warnhinweise sind zum Teil nicht in deutscher Sprache oder fehlen ganz
- Fehlende Angaben in der Bedienungsanleitung
Technische Mängel
- Nicht für die maximale Messspannung ausgelegte interne Messgerätesicherung.
- Berührbarkeit von aktiven Teilen der Buchsen der Messleitungen.

Hier können die Steckkontakte der Messleitungen berührt werden. Achtung Kurzschlussgefahr !
(vergleiche Bild 15 und 16)
- Messleitungen weisen nicht die erforderliche Messkategorie auf.
- Die nach Norm erforderlichen Kriech- und Luftstrecken sind nicht eingehalten; in dessen Folge ist die erforderliche Spannungsfestigkeit gemäß der angegebenen Messkategorie nicht gegeben; Das Messgerät schlägt vorher durch.
- Niederohmige Verbindungen zwischen Transistormessbuchsen zu den anderen Buchsen (zum Beispiel für die Spannungsmessung), was eine erhebliche Stromschlaggefahr darstellen kann.

- Teilweise sind die Zugentlastungen der Messleitungen nicht gegeben
- Fehlender Knickschutz für fest angebrachte Messleitungen
- Zu geringer Leitungsquerschnitt für die vorgesehenen Strommessungen
- Fehlender Schutz bei falschem Messaufbau
Dadurch kann es zu ernsten Gefährdungen der Benutzer wie Stromschlaggefahr bzw. Verbrennungen aber auch zu Sachschäden durch Brand und Explosion kommen.

Worauf ist beim Einkauf besonders zu achten?
Generell sollte klar sein, dass es bei den Niedrigpreisprodukten sehr schwierig sein dürfte, die geforderte Sicherheit nach den Normen einzuhalten.
Vorsicht ist daher geboten, wenn
- das Produkt sehr günstig angeboten wird (zum Teil werden diese Produkte unter 10 Euro verkauft)
- es sich um einen unbekannten Hersteller handelt bzw.
- der Hersteller sich nicht mit vollständiger Anschrift auf dem Gerät oder Bedienungsanleitung bzw. Verpackung ausweist
Beim Einkauf sollte geprüft werden:
Hat das Gerät ein CE-Zeichen?
Damit bestätigt sich der Hersteller selbst, dass nach seiner Auffassung die europäischen Vorschriften, insbesondere die
- Niederspannungsrichtlinie und
- EMV-Richtlinie
eingehalten werden.
Die Anbringung des CE-Zeichens ist Voraussetzung für das Inverkehrbringen eines Produktes in der Europäischen Gemeinschaft.
Aber Achtung:
Das CE-Zeichen ist kein Sicherheitszeichen!
Es besteht für Hersteller von Multimetern keine rechtliche Verpflichtung, eine unabhängige Prüfstelle einzuschalten. Namhafte Hersteller lassen ihre Produkte häufig freiwillig von unabhängigen Prüfstellen überprüfen.
Ist der Stand der Technik eingehalten?
Seit 01.01.2004 gilt für Multimeter die neue Norm EN 61010-1 (VDE 0411-1). Achten Sie bitte beim Kauf eines Gerätes darauf! In dieser Norm werden die Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte beschrieben. Ist Ihnen nicht bekannt, ob der Standard eingehalten ist, dann lassen Sie sich die Sicherheit durch den Hersteller bestätigen.
Führt das Gerät neben dem CE-Zeichen ein GS-Zeichen oder ein anderweitiges Sicherheitszeichen einer unabhängigen Prüfstelle?
Die Prüforganisationen prüfen in diesem Fall die Geräte nach dem geltenden Stand der Technik die Sicherheit für den Anwender. Nur Geräte, die berechtigt ein Zeichen von der Zertifizierungsstelle bekommen, bieten die höchstmögliche Sicherheit. Zur Kontrolle für den Verbraucher bieten viele Prüfstellen zwischenzeitlich auf Ihren Internetauftritten Listen der zertifizierten Produkte an. Bestehen dennoch Zweifel, kann auch direkt bei der Prüfstelle nachgefragt werden, ob das jeweilige Zeichen berechtigt geführt wird.
Ist die Messkategorie angegeben?
Je näher die Messung an der Stromquelle der Niederspannungsinstallation stattfindet, desto höher und damit energiereicher können Hochspannungsimpulse, so genannte Transienten, z.B. durch Blitzeinschläge oder das Schalten induktiver Lasten (z.B. Motoren) auftreten.


Durchschlag im Messgerät und anschließende
Lichtbögen an den Messspitzen (Bildquelle: Fluke)
Diese Überspannungen gefährden die Person, die sich mit dem Messinstrument am Netz befindet. Bei falscher Auswahl der Messgeräte kann es zur Beschädigung des Gerätes kommen, im schlimmsten Fall ist eine Verletzung bzw. Tod des Benutzers die Folge.

Um möglichst ein hohes Schutzniveau zu bieten, wurden in die Norm EN 61010 Anforderungen hinsichtlich des Schutzes von Transienten aufgenommen – die so genannte Messkategorie. Es gibt eine Einteilung in vier Kategorien (CAT).

Die jeweilige Messkategorie II, III oder IV muss bei Neugeräten am Messgerät aufgedruckt sein. Fehlt die Angabe, kann das Neugerät nur in der Kategorie I eingesetzt werden.
Das Messgerät im nebenstehenden Bild ist demnach für die Kategorie III bis 600V geeignet und für die Kategorie II bis 1000V einsetzbar.
Bild 7: Beispiel einer Angabe für die Messkategorie am Messgerät
Einteilung der Messkategorien

Cat. I
Messungen an Stromkreisen, die nicht direkt mit dem Netz verbunden sind z.B. batteriebetriebene Geräte, Platinen

Cat. II
Stromkreise, die direkt mit dem Niederspannungsnetz verbunden sind z.B. elektrische Geräte in Haushalt, Büro und Labor

Cat. III
Verteilebene Messungen in der Gebäudeinstallation sowie fest angeschlossene stationäre Verbraucher, Unterverteiler z.B. Steckdosen

Cat. IV
Messungen an der Stromquelle, wie der Niederspannungsinstallation Zähler, Hausanschlusskasten, Niederspannungs-Freileitung etc.
Gibt es eine Bedienungsanleitung in deutscher Sprache?
Sind die Warnhinweise z.B. Entfernung der Messleitungen vom Messobjekt vorm Öffnen des Gerätes und andere produktsicherheitsrelevante Aufschriften in deutscher Sprache vorhanden und lesbar?
Handelt es sich bei dem vorliegenden Produkt schon um ein unsicheres Produkt, das womöglich nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf? (siehe auch unter „Mehr zum Thema“)
Tipps im sicheren Umgang mit Multimetern
Hat das Multimeter die für die Messumgebung erforderliche Kategorie (CAT) gegen Schalt- bzw. Überspannungen?
Wie ist äußerliche Zustand des Gehäuses des Multimeters?
Verwenden Sie kein Messgerät mit Schäden am Gehäuse!
Wie ist der Zustand des Gerätezubehörs und der Messleitungen?

- Machen Sie vor der jedem Gebrauch grundsätzlich eine augenscheinliche Überprüfung des Zustandes des Messgerätes und der Messleitungen.
- Verwenden Sie Prüfspritzen, die weitgehend isoliert sind, um Kurzschlüsse und damit Lichtbögen zu vermeiden. Ferner muss gegen ein Abrutschen der Finger ein Schutz an den Prüfspitzen vorgesehen sein.
- Benutzen Sie niemals schadhafte Messleitungen!

Benutzen Sie zum eigenen Schutz für Messungen grundsätzlich Messleitungen mit Berührungsschutz (Sicherheitsstecker)!



Die Steckkontakte der Messleitungen sollten nicht berührt werden können, um einen Stromschlag zu vermeiden oder ein unbeabsichtigtes Berühren von mehreren Messleitungen (Kurzschlussgefahr!) zu verhindern. (vergleiche auch Bild 1)
Wie muss die Messanordnung aussehen?
- Messen Sie möglichst keine Stromstärken mit dem Multimeter, insbesondere an energiereichen Anlagen. Dafür muss der Stromkreis aufgetrennt werden. Verwenden Sie hierzu besser eine Stromzange. Damit ist es zum einen einfacher und zum anderen gefahrloser möglich, Messungen vorzunehmen (siehe nachfolgendes Bild).

Wartung und Instandhaltung
- Das Öffnen des Messgerätes z.B. zum Auswechseln der Sicherungen darf nur unter Verwendung von Werkzeug möglich sein!
- Öffnen Sie niemals das Messgerät, wenn es gerade benutzt wird!
- Setzen Sie ausschließlich die vom Hersteller vorgesehenen Batterien und Sicherungen ein!
- Defekte Messgeräte sollten nur durch den Hersteller bzw. der von ihm autorisierten Person repariert werden. Führen Sie daher nie eigenständig Reparaturen durch!
- Beachten Sie die vom Hersteller angegebenen Hinweise zur Wartung und Instandhaltung!
Vorbereitung und Durchführung der Messung

Der elektrotechnische Laie sollte niemals Messungen an energiereichen Anlagen durchführen. Dies ist Sache einer hierfür ausgebildeten Elektrofachkraft.
(Energiereiche Anlagen sind z.B. der Sicherungskasten, die Hausinstallation)
Die Messungen werden durchgeführt nach den Methoden
- Sorgfältige Planung
- Sichere Arbeitsweise
- Auswahl der richtigen Messmittel und Schutzausrüstung
1. Sorgfältige Planung
Gerade hierbei sollten Sie vor jeder Messung genau überlegen, ob eine Messung überhaupt mit den Ihnen vorliegenden Messgeräten und Hilfsmitteln gefahrlos möglich ist. Ferner sollten Sie vorher kritisch prüfen, ob Ihr Wissensstand ausreicht, um die Messung mit den richtigen Methoden anzugehen.
- Ist der Wahlschalter auf die zu messende Größe z.B. Spannung, Strom, Widerstand eingestellt?
- Sind die Messleitungen in die richtigen Messbuchsen gesteckt (Strom, Spannung)?
- Weisen die Messleitungen keinen internen Defekt auf? Dies können Sie einfach kontrollieren, wenn Sie mit Hilfe des Multimeters den Widerstand bzw. Durchgang der Messleitung messen.
2. Auswahl der richtigen Messmittel und Schutzausrüstungen
- Ist das Messgerät für die vorliegenden Umgebungsbedingungen geeignet?
Das kann Ihnen meist nur der Hersteller mitteilen. - Weist das Messgerät die für den Bereich erforderliche Messkategorie auf?
- Hat die Schutzausrüstung z.B. Isolierhandschuhe ein CE-Zeichen mit der erforderlichen vierstelligen Nummer der benannten Stelle sowie dem Doppeldreieck
als Zeichen?
Wie man anhand der vorgenannten Aufzählung schon sieht, die natürlich nicht abschließend sein kann, ist es nicht nur damit getan, die Messleitungen mit dem Prüfling zu verbinden. Zur Messvorbereitung und Durchführung sind eine Reihe sicherheitsrelevanter Maßnahmen durchzuführen.
3. Sichere Arbeitsweise
- Beginnen Sie immer zuerst mit dem höchsten Messbereich und schalten Sie je nach vorliegendem Messwert weiter in den nächst kleineren Messbereich.
- Überzeugen Sie sich von der Funktion des Messgerätes, indem Sie eine Probemessung durchführen.
- Sind neben den Messpunkten berührbare unter Spannung stehende Teile, dann benutzen Sie für die Messung persönliche Schutzausrüstungen z.B. Isolierhandschuhe.
- Überzeugen Sie sich von der Richtigkeit der Messanordnung.
- Haben Sie nicht aus Versehen den Messbereich für Widerstandsmessung gewählt und wollen an die Spannung ran?
- Haben Sie vielleicht nicht daran gedacht, nach einer Strommessung die Messleitungen für eine geplante Spannungsmessung entsprechend umzustecken?
-Denken Sie daran: Solche Fehler können zu hohen Kurzschlussströmen und damit zu einer Gefährdung führen. - Stellen Sie das Messgerät nach Gebrauch entweder auf „Aus“, oder, falls diese Stellung nicht möglich ist, sicherheitshalber in den Messbereich mit dem höchsten Spannungswert.
- Unsichere Produkte, die untersagt wurden, sind in der Übersicht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter der Rubrik Geräte- und Produktsicherheit Unterpunkt Produktmängel aufgeführt. Hier finden Sie auch eine Verlinkung auf die EU-Internetseiten der wöchentlich gemeldeten Produkte, von denen eine ernste Gefahr ausgeht (die so genannten Rapex-Meldungen) sowie zur Produktdatenbank ICSMS.
- Informationen zur Produktsicherheit erhält man auch von der jeweils zuständigen Marktkontrollbehörde, die über die Produktdatenbank www.icsms.de ermittelt werden kann.
- Bericht des Regierungspräsidiums Hessen über Handmultimeter
Fachbeiträge
VIS-Artikel
- Richtiger Umgang mit elektrischem Strom
- Der Fehlerstromschutzschalter - ein möglicher Lebensretter
- Einkauf, Betrieb und Montage von Fehlerstromschutzschaltern
- Leitungsquerschnitt, Leitungen, Kabel
Externe Links:
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
Bildnachweis:
© Für die freundliche Unterstützung und Bereitstellung von Bildmaterial danken wir der Fa. Fluke
Aktuelles
23.02.2021
Umfrage: Sharing-Angebote wenig genutzt
22.02.2021
Fahrradhelme; Kennzeichnung und Benutzung
18.02.2021
Vitamin D Mangel bei Veganern
17.02.2021
Betriebskosten: Mietende dürfen Belege einsehen
12.02.2021
Corona: Krankenkasse wechseln einfacher
11.02.2021
Dating-Portale: Augen auf bei Probeabos
08.02.2021
Nachhaltig online - wie geht das?
04.02.2021
Ganz schön bitter - Bitterstoffe
02.02.2021
Unwetterschäden: Welche Versicherung zahlt?
29.01.2021
Reise & Corona: Was bei Flex-Tarifen zu beachten ist

