Handwerkerrechnungen – was ist erlaubt?
Immer wieder wundern sich Verbraucher über aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbare Handwerkerrechnungen. In vielen Fällen halten sie die Abrechnung des Handwerkers für überzogen. Meist liegt das Problem darin, dass vorab weder ein Kostenvoranschlag noch eine ausdrückliche Preisvereinbarung erfolgte. Statt dessen hat man als Verbraucher ein Auftragsformular unterschrieben oder aber es finden sich auf der Rechnung Positionen über die vorher nie gesprochen wurde.
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Auftragsformular und Allgemeine Geschäftsbedingungen
Vor Durchführung eines Auftrages lassen sich Handwerker oft vom Kunden ein Auftragsformular unterschreiben. Nach Erhalt der Rechnung stellen Verbraucher dann häufig überrascht fest, dass Arbeitsleistungen und Fahrtzeiten in Arbeitseinheiten (AE) berechnet werden. Eine solche Arbeitseinheit beträgt z. B. ¼ Stunde. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Handwerkers steht dann oft folgende Formulierung:
„Je 15 Minuten = 19,95 Euro“
Die AGB befinden sich in der Regel auf der Rückseite des Auftragsformulars. Ein entsprechender Hinweis auf die AGB ist auf der Vorderseite des Auftragsformulars meist abgedruckt. Wenn dieser Hinweis deutlich ist, reicht dies für eine Einbeziehung der AGB in den Vertrag.
Für Verbraucher stellt sich die Frage, ob diese Art der Abrechnung durch den Handwerker zulässig ist.
Preisabsprachen im Kleingedruckten
Es gilt im deutschen Recht der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Leistung und Gegenleistung können frei bestimmt werden (Privatautonomie). Klauseln, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und die dafür zu zahlende Vergütung unmittelbar bestimmen, sind nach ständiger Rechtsprechung deswegen einer Inhaltskontrolle entzogen. Auch Bestimmungen, die das Entgelt für zusätzliche Leistungen festlegen, sind nicht kontrollfähig, solange hierfür keine anderen rechtlichen Regelungen bestehen.
Die Werklohnregelung kann nur dann einer Inhaltskontrolle unterzogen werden, wenn sie von gesetzlichen Vorschriften abweicht oder diese ergänzt. Dies ist nicht der Fall, weswegen die Vertragsparteien den Werklohn frei bestimmen dürfen. Auch in Form einseitig vorgegebener Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Dieses Ergebnis ist auch vom Gesetzgeber gewollt. Preisabsprachen sollen keiner richterlichen Kontrolle unterzogen werden können.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Klausel gegen das sogenannte Transparenzgebot verstoßen würde. Danach hat eine Klausel klar und verständlich zu sein. Dabei ist es ausreichend, wenn anhand der Berechnungsgrundlage der Stundenpreis errechnet werden kann. Dies ist in unserem Beispiel der Fall.
Somit haben sich die Parteien wirksam über diesen Werklohn geeinigt.
Preisnebenabreden im Kleingedruckten
Wir verändern die Klausel geringfügig:
„Je angefangene 15 Minuten 19,95 Euro“
Vereinbarungen über die Aufrundung von Arbeitszeiten können nur dann einer Inhaltskontrolle gem. den §§ 307 - 309 BGB unterzogen werden, wenn sie von werkvertraglichen Vorschriften abweichen oder diese ergänzen. Durch solche Aufrundungsklauseln wird den Kunden nicht geleistete Arbeitszeit berechnet.
Von den Preisabsprachen strikt zu trennen sind die so genannten Preisnebenabreden. Diese treffen keine Regelung über den Werklohn an sich. Vielmehr regelt eine Preisnebenabrede die Art und Weise, wie der Werklohn zu erbringen ist, ob er z. B. bar zu bezahlen oder wann er fällig ist. Preisnebenabreden können grundsätzlich auf ihre Zulässigkeit überprüft werden.
Durch die Klauseln zur Aufrundung von Arbeitszeiten wird dem Kunden nicht geleistete Arbeitszeit berechnet. Es wird daher vom grundlegenden Prinzip des Werkvertragsrechts abgewichen, dass der Besteller nur eine Vergütung für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit erhält. Gäbe es diese Klauseln nicht, bekäme der Unternehmer nur die übliche bzw. angemessene Vergütung nach § 632 BGB. Die Aufrundungsklauseln sind daher als Preisnebenabreden anzusehen und damit voll kontrollfähig.
Die Wirksamkeit einer solchen Klausel kann nicht damit gerechtfertigt werden, dies sei eine übliche Pauschalisierung, mit der jeder Kunde rechnen muss. Ob die Klausel den Kunden aber unangemessen benachteiligt, muss im Einzelfall geprüft werden. Müsste der Kunde jede angefangene Stunde vergüten, so läge eine solche Benachteiligung sicher vor, wenn die tatsächlich geleistete Arbeitszeit nur 5 Minuten betrug. Im obigen Beispiel lässt sich beides vertreten.
Fahrtzeit als Arbeitszeit
Häufig findet sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) folgende Klausel:
„Fahrtzeiten gelten als Arbeitszeiten.“
Eine solche Regelung über die Fahrtkosten stellt eine Vereinbarung über den Werklohn dar. Es handelt sich also um eine Preisabsprache. Selbst dann, wenn der Werkunternehmer erst in den AGB die einzelnen Bestandteile des Werklohns aufführt und dort die Regelungen über Fahrtzeit und Arbeitszeit trennt.
Fahrtzeit kann grundsätzlich wie Arbeitszeit berechnet werden. Denn die Vertragsparteien können Leistung und Gegenleistung frei bestimmen. Voraussetzung ist natürlich, dass die AGB wirksam einbezogen wurden. Auch wenn die Fahrtzeitenregelung nicht der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307-309 BGB unterliegt, so kann sie doch wie bereits besprochen auf Transparenz geprüft werden. Hierbei sind jedoch keine allzu strengen Anforderungen zu stellen: Wenn anhand der Berechnungsgrundlage der Stundenpreis errechnet werden kann, dürfte dies ausreichen.
Klauseln auf Rechnungsformularen
Präsentiert beispielsweise ein Schlüsseldienst erst nach Durchführung der Arbeiten eine Rechnung, auf der sich Klauseln zur Vergütung befinden, handelt es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern um eine Abrechnungsmethode, die im Rahmen der angemessenen Vergütung nach § 632 BGB überprüft werden kann. Nachträglich kann also keine wirksame Preisvereinbarung über das Kleingedruckte erfolgen. Oft tauchen Positionen wie „Fahrtkosten“ oder „Einsatz von Spezialgerät“ erst auf der Rechnung auf. Wurde vorher kein entsprechender Auftrag unterschrieben, so können diese Kosten nur verlangt werden, soweit sie üblich sind.
Sittenwidrigkeit der Vergütungsforderung - Wucher § 138 BGB
Auch wenn eine Preisklausel im Einzelfall nicht kontrollfähig ist, so kann das Zahlungsverlangen des Werkunternehmers aber sittenwidrig sein. Gem. § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, in dem eine Vertragspartei für ihre eigene vertragliche Leistung von der anderen Partei eine Gegenleistung verlangt, die im Missverhältnis zur Leistung steht. Von einem solchen Missverhältnis ist auszugehen, wenn der Werklohn die übliche Bezahlung in dieser Branche um 100% übersteigt. Wie hoch der übliche Werklohn ist, kann man durch eine Anfrage bei der Handwerkskammer oder den Innungen ermitteln. Hinzukommen muss, dass der Unternehmer eine Schwäche des Verbrauchers ausgenutzt hat, was oft schwierig zu beweisen ist. Bei Notdiensten, wo sich der Verbraucher in einer Zwangslage befindet, ist dies aber häufig der Fall.
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