Strom- und Gaspreiserhöhungen
Viele Verbraucher sehen sich in regelmäßigen Abständen mit einer Erhöhung der Strom- und Gaspreise konfrontiert.
Unter welchen Voraussetzungen sind solche Preiserhöhungen rechtlich zulässig?
Und in welchen Fällen und auf welche Art und Weise sollten sich Verbraucher dagegen wehren?
In diesem Beitrag finden Sie
- Unterscheidung zwischen Grund- und Sonderversorgung
- Preiserhöhungen in der Grundversorgung
- Preiserhöhungen in der Sonderversorgung
- Vorgehen bei (vermeintlich) unzulässigen Preiserhöhungen
- Gerichtliche Kontrolle von Preiserhöhungen
- Rückforderung zu viel geleisteter Zahlungen
- Tätigkeit der Kartellbehörde
Unterscheidung zwischen Grund- und Sonderversorgung
Anbieter können die Preise, zu denen sie ihre Kunden mit Strom und Gas beliefern, grundsätzlich einseitig erhöhen. Unter welchen Voraussetzungen eine Preiserhöhung rechtlich zulässig ist, bestimmt sich nach der Art der Versorgung. Hier ist zwischen der Grundversorgung auf der einen Seite und der Sonderversorgung auf der anderen Seite zu unterscheiden.
Grundversorgung
Grundversorger ist jeweils der Anbieter, der die meisten Haushaltskunden in einem bestimmten Netzgebiet beliefert. In der Regel sind das die kommunalen Versorgungsunternehmen, also die Stadtwerke.
Der Grundversorger ist gesetzlich verpflichtet, jedem Haushaltskunden Strom und Gas zu den festgelegten Bedingungen und Preisen zu liefern.
Bei der Ausgestaltung des Grundversorgungsvertrags gibt es nur wenig Spielraum. Der Vertragsinhalt ist weitgehend durch den Gesetzgeber vorgegeben. Die Regelungen der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) und der Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) werden automatisch Bestandteil des Grundversorgungsvertrags. Nur in ganz engen Grenzen kann im Vertrag von den Bestimmungen dieser beiden Rechtsverordnungen abgewichen werden.
Sonderversorgung
Im Rahmen der Sonderversorgung können sich die Kunden ihren Anbieter frei aussuchen und mit diesem einen Sonderversorgungsvertrag abschließen.
Der Anbieter ist - anders als im Rahmen der Grundversorgung - nicht zum Vertragsschluss verpflichtet.
Die Vertragsinhalte werden zudem nicht durch Rechtsverordnungen bestimmt, sondern durch die individuellen Vereinbarungen bzw. die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters.
Wahlrecht zwischen Grund- und Sonderversorgung
Haushaltskunden, also alle Letztverbraucher, dienicht mehr als 10.000 kWh Strom oder Gas im Jahr verbrauchen, können wählen, ob sie über die Grundversorgung oder die Sonderversorgung mit Energie beliefert werden wollen. Etwa die Hälfte aller Haushaltskunden hat sich inzwischen für die Sonderversorgung entschieden.
Preiserhöhungen in der Grundversorgung
Nach § 5a der Strom- und der GasGVV hat der Grundversorger das Recht, bei eigenen gestiegenen Bezugskosten aufgrund von höheren hoheitlichen Belastungen entsprechende Preiserhöhungen vorzunehmen. Gleichzeitig besteht jedoch auch die Verpflichtung, gesunkene Bezugskosten -unter Berücksichtigung seiner künftigen Belastungen im Folgejahr- in seine Kalkulation einfließen zu lassen.
Auch aus anderen Gründen sind Preiserhöhungen im Einzelfall zulässig, wie sich aus § 5a Abs. 2 iVm § 5 Abs. 2 der Strom- und der GasGVV und einer sogenannten ergänzenden Vertragsauslegung ergibt. Diese dürfen dann jedoch nur unter einem strengen Billigkeitsmaßstab vorgenommen werden.
Alle Preisänderungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, wobei die Bekanntgabe mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Die gesetzlichen Preisbestandteile des erhöhten Strompreises wie Stromsteuer und Umlagen sind gesondert auszuweisen.
Der Grundversorger ist verpflichtet, zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen. Unterbleibt die briefliche Mitteilung, stellt dies allerdings kein Hindernis für das Wirksamwerden der Preiserhöhung dar.
Gem. § 5 Abs. 3 2. HS der Strom- und der GasGVV hat der Versorger dem Kunden im Falle einer Preiserhöhung zudem Anlass, Umfang und Voraussetzungen der Erhöhung gesondert mitzuteilen.
Gem. § 5 Abs. 3 der Strom-und der GasGVV steht dem Kunden bei Preiserhöhungen ein Kündigungsrecht ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen zu.
Preiserhöhungen in der Sonderversorgung
Wie oben erwähnt, gelten die StromGVV- und GasGVV nur für die Grund-, nicht für die Sonderversorgung. Daher kommt es für Kunden mit Sonderversorgung darauf an, ob der Stromlieferungsvertrag eine Anpassungsklausel enthält, die dem Anbieter das Recht zur einseitigen Erhöhung der Preise einräumt.
Preisanpassungsklauseln in Sonderversorgungsverträgen unterliegen einer inhaltlichen Kontrolle nach § 307 BGB. Insbesondere müssen sich Preisanpassungsklauseln an dem so genannten Transparenzgebot messen lassen: Für die Kunden muss anhand der Preisanpassungsklausel klar erkennbar sein, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang der Anbieter die Preise erhöhen kann.
Anbieter formulieren ihre Preisanpassungsklauseln aber häufig so, dass sie ihnen die Möglichkeit eröffnen, die Preise willkürlich zu ändern. Die Rechtsprechung hat daher eine Vielzahl solcher Klauseln bereits für unwirksam erklärt, weil sie nicht bestimmt genug waren und den Anbietern ein zu weitgehendes Recht zur Preiserhöhung einräumten. Keinen Bestand hatten insbesondere Preisanpassungsklauseln, die nur regeln, dass Erhöhungen der Bezugspreise für Energie an die Kunden weitergeben werden, fallende Bezugspreise hingegen nicht.
Auch Kunden von Sonderversorgungsverträgen steht das Recht zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bei Preiserhöhungen zu, wie sich aus § 41 Abs. 3 EnWG ergibt. Das ist sogar dann der Fall, wenn der Stromversorger als Grund für die Preiserhöhung hoheitlich zu verantwortende Preiserhöhungen angibt.
Vorgehen bei (vermeintlich) unzulässigen Preiserhöhungen
Hat ein Kunde Anhaltspunkte dafür, dass eine Preiserhöhung unzulässig ist, sollte er, sofern er bereit ist, notfalls eine gerichtliche Auseinandersetzung in Kauf zu nehmen, Widerspruch einlegen und die Zahlung des Erhöhungsbetrags verweigern beziehungsweise nur unter Vorbehalt zahlen. Die Verbraucherzentrale Bayern bietet entsprechende Musterschreiben an.
Widerspruch
Grundsätzlich sollte der Widerspruch unmittelbar nach der Mitteilung der Preiserhöhung, spätestens aber innerhalb von drei Jahren nach Zugang der Jahresrechnung eingelegt werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte jedoch am besten so schnell wie möglich Widerspruch eingelegt werden.
Verweigerung der Zahlung
Die Verweigerung der Zahlung ist für den Verbraucher mit dem Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung verbunden, durch die erhebliche Kosten entstehen können. Dies gilt auch dann, wenn der Verbraucher nach einer Preisanpassung lediglich die Zahlung des Erhöhungsbetrags verweigert. Gleichwohl kann es im Einzelfall sinnvoll sein, den geltend gemachten Forderungen nicht unmittelbar nachzugeben.
Entscheidet sich der Kunde, das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung in Kauf zu nehmen, sollte er die Zahlung des geltend gemachten Erhöhungsbetrags zunächst davon abhängig machen, dass der Anbieter die Angemessenheit der vorgenommenen Preiserhöhung darlegt. Denn erst, wenn bekannt ist, worauf der Anbieter die Preiserhöhung stützt, kann der Kunde sich sachgerecht über die Chancen und Risiken einer weitergehenden Auseinandersetzung beraten lassen.
Die Voraussetzungen, unter denen der Anbieter aufgrund einer Zahlungsverweigerung von der weiteren Belieferung mit Strom oder Gas absehen darf, sind streng begrenzt. Droht der Anbieter eine solche Maßnahme an und kann eine gütliche Einigung nicht gefunden werden, empfiehlt es sich, eine einzelfallbezogene rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
Zahlung unter Vorbehalt
Will der Verbraucher die mit einer Zahlungsverweigerung verbundenen Risiken vermeiden, so kann er den aufgrund einer möglicherweise unwirksamen Preisanpassung geltend gemachten Erhöhungsbetrag unter Vorbehalt zahlen.
Er teilt dem Anbieter also mit, dass er die Rechnung zwar in voller Höhe begleicht, die Preiserhöhung aber für unzulässig hält und die Zahlung des Erhöhungsbetrags nur unter Vorbehalt erfolgt.
Anschließend kann der Verbraucher die Wirksamkeit der Preisanpassung gerichtlich überprüfen lassen und im Erfolgsfall den unter Vorbehalt bezahlten Betrag zurückfordern.
Gerichtliche Kontrolle von Preiserhöhungen
Verbraucher haben grundsätzlich die Möglichkeit, Preiserhöhungen gerichtlich prüfen zu lassen. Zwei Szenarien sind zu unterscheiden: Entweder kürzt der Kunde die Rechnung und wartet darauf, dass sein Anbieter ihn verklagt. Oder der Kunde zahlt unter Vorbehalt und klagt selbst gegen die Preiserhöhung.
Daneben besteht nach voriger erfolgloser Beanstandung beim Energieversorger selbst auch die Möglichkeit, außergerichtlich vorzugehen. Dazu kann ein Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei einer Schlichtungsstelle gestellt werden. Entsprechende Hinweise dazu müssen Energieversorger in den Vertragsunterlagen bereitstellen. Das Schlichtungsverfahren ist anders als ein gerichtliches Verfahren für den Verbraucher kostenfrei.
Weiterführende Hinweise zur Antragsstellung finden sie unter
https://www.schlichtungsstelle-energie.de/
Prüfungsumfang des Gerichts
Kommt es zum Rechtsstreit, so prüft das Gericht grundsätzlich nicht den Gesamtpreis, sondern nur die Preiserhöhung. Der Kunde kann also regelmäßg nicht geltend machen, schon der bei Vertragsschluss festgelegte Preis sei nicht angemessen gewesen. Des Weiteren prüft das Gericht nur solche Preiserhöhungen, denen der Kunde widersprochen hat.
Grundsätzlich muss der Anbieter seine Kalkulation nicht vollständig offen legen. So genügt es in der Regel, wenn der Anbieter darlegen kann, dass eine Preiserhöhung den gestiegenen Bezugspreisen (also seinen Einkaufspreisen) entspricht. Es hängt aber vom Einzelfall ab, ob dem Gericht hier Zeugenaussagen oder schriftliche Unterlagen des Anbieters ausreichen oder aber ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss.
Wirkungen eines Urteils
Ein Urteil, das die Preiserhöhungen eines Anbieters für unzulässig erklärt, wirkt grundsätzlich nur zwischen dem Kläger und dem Beklagten des Verfahrens, also etwa dem klagenden Kunden und dem beklagten Anbieter.
Andere Kunden, die ebenfalls von den Preiserhöhungen betroffen sind, aber nicht selbst geklagt haben, können aus dem Urteil keine Ansprüche für sich selbst ableiten.
Im Vorteil sind hier die Kunden, die nicht unter Vorbehalt gezahlt haben, sondern die Zahlung des Erhöhungsbetrags verweigert haben. Denn der Anbieter wird nach der Niederlage vor Gericht kaum von den Kunden, die nicht an der Klage beteiligt waren, eine Nachzahlung verlangen.
Hat ein Verbraucherverband oder eine andere nach § 3 UKlaG berechtigte Stelle bereits ein rechtskräftiges Urteil über die Unwirksamkeit einer Klausel, die sich auf unzulässige Weise die Möglichkeit von Preiserhöhungen einräumt, erstritten und widersetzt sich der Verwender, indem er sie weiterhin verwendet, kann sich der Kunde selbst gerichtlich gegen den beklagten Energieversorger wenden und sich im Prozess auf das bereits ergangene Urteil berufen. Das Gericht ist dann durch besondere Rechtskrafterstreckung gem. § 11 Satz 1 UKlaG an das vom Verband erstrittene Urteil gebunden, sodass die Unwirksamkeit der Klausel nicht mehr erneut geprüft werden muss (und darf).
Laut neuerer EuGH Rechtsprechung muss das Gericht entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 11 Satz 1 UKlaG sogar von Amts wegen die frühere Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel des Anbieters berücksichtigen. Es muss sich bei dem vom Verbraucherverband Beklagten jedoch genau um den Vertragspartner des Kunden handeln. Ein gewonnener Prozess gegen einen anderen Anbieter, der lediglich dieselbe oder inhaltsgleiche unwirksame Klausel verwendet, reicht nicht aus. Da die Interpretation der EuGH-Entscheidung jedoch noch umstritten ist, ist ein ausdrückliches Berufen auf die Wirkung des bereits ergangenen Unterlassungsurteils dringend zu empfehlen.
Eine entsprechende, nicht abschließende Liste mit Klauseln, die der BGH u.a. bereits für unwirksam erklärt hat, ist beispielsweise auf der Website der Verbraucherzentrale einsehbar.
Rückforderung zu viel geleisteter Zahlungen
Hat der Energieversorger eine unwirksame Klausel verwendet und aufgrund dessen eine Preiserhöhung vorgenommen, kann das zu viel Geleistete zurückverlangt werden. Auch im Bereich der Grundversorgung kann eine Rückforderung in Betracht kommen. Zwar verleiht die Gas- und StromGVV dem Energieversorger unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf Preiserhöhungen. Jedoch müssen diese auch auf ordnungsgemäße Weise angekündigt werden. Ist dies nicht der Fall, kann der Kunde den zu viel Geleisteten Betrag ebenfalls zurückverlangen.
Kunden, die auf Rückzahlungen hoffen, sollten in jedem Fall die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren im Blick haben und die Verjährung - ggf. nach entsprechender Rechtsberatung - durch Erwirkung eines Mahnbescheids oder Einreichung einer Klage hemmen. Auch ein zulässiger Schlichtungsantrag kann die Verjährung hemmen.
Tätigkeit der Kartellbehörde
Das Bundeskartellamt und die Landeskartellbehörden prüfen regelmäßig, ob die Anbieter bei der Festlegung der Preise eine marktbeherrschende Stellung ausnutzen. Dabei handelt es sich aber um eine rein kartellrechtliche Prüfung, die das vertragliche Verhältnis zwischen den Anbietern und ihren Kunden unberührt lässt. Das heißt: Ist die Preisgestaltung kartellrechtlich nicht zu beanstanden, kann es sich dennoch um zivilrechtlich unzulässige Preiserhöhungen handeln.
Bildnachweis: copyright Fotolia - Marek Gottschalk
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