Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung – was jeder wissen sollte
Jeder Mensch hat das Recht, sich für oder gegen eine bestimmte medizinische Behandlung zu entscheiden. Ist ein Patient jedoch nicht mehr in der Lage, seinen Willen zu äußern, obliegt die Entscheidung für oder gegen eine medizinische Maßnahme grundsätzlich einem Vertreter (Betreuer oder Bevollmächtigter). Man kann diese Entscheidung aber auch vorsorglich in einer Patientenverfügung treffen. Vielen Menschen graut vor dem Gedanken, den letzten Abschnitt ihres Lebens der Apparatemedizin ausgeliefert zu sein. Deshalb verfassen immer mehr Menschen eine Patientenverfügung als schriftliche Vorausverfügung, in der konkrete Behandlungsziele für künftige Krankheiten, Pflegebedürftigkeit oder humanes Sterben dokumentiert sind.
In diesem Beitrag finden Sie
Checkliste zum Verfassen einer Patientenverfügung
- Eine Patientenverfügung muss laut Gesetz schriftlich verfasst und eigenhändig unterschrieben werden.
- Eine Patientenverfügung kann bei bestehender Einwilligungsfähigkeit jederzeit geändert oder widerrufen werden.
- Es ist wichtig, die Anweisungen so konkret wie möglich zu formulieren: Sie müssen beschreiben, in welchen Situationen die Patientenverfügung gelten soll und welche Behandlungswünsche Sie in diesen Situationen haben.
- Lassen Sie sich von einem Arzt, einer Patientenorganisation und/oder Anwalt fachkundig beraten.
- Verbinden Sie die Patientenverfügung möglichst mit einer Vorsorgevollmacht und/oder einer Betreuungsverfügung.
- Besprechen Sie die Patientenverfügung mit Ihrem Bevollmächtigten oder Wunschbetreuer, um sicherzustellen, dass die Personen Ihres Vertrauens Bescheid wissen und in Ihrem Sinne handeln können.
- Es ist empfehlenswert, eine Patientenverfügung in bestimmten Zeitabständen und bei schwerer Erkrankung zu überprüfen, zu aktualisieren und erneut zu unterschreiben.
Gesetz zur Patientenverfügung
Seit dem 1. September 2009 gelten verbindliche Regelungen zur Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen (geregelt in § 1901 a Bürgerliches Gesetzbuch). Jeder einwilligungsfähige Volljährige kann demnach eine Patientenverfügung erstellen. In einer Patientenverfügung kann man schriftlich für den Fall, dass man selbst nicht mehr entscheiden kann, im Voraus festlegen, ob und wie man in bestimmten Situationen ärztlich behandelt werden möchte. Die Patientenverfügung richtet sich vorrangig an die Ärztin oder den Arzt und das Behandlungsteam.
Das Gesetz schreibt insbesondere vor, dass der behandelnde Arzt dem schriftlichen Willen des Patienten folgen muss. Gemeinsam mit einem Betreuer oder Bevollmächtigten muss er prüfen, ob die Patientenverfügung auf die konkrete Behandlungssituation zutrifft. Sind sich alle Beteiligten einig, gilt der schriftliche Wille des Patienten. Nur bei Meinungsverschiedenheiten muss das Betreuungsgericht eingeschaltet werden.
Der festgestellte Wille des Patienten ist unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung zu beachten. Das bedeutet, dass ein Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen auch dann möglich ist, wenn die Krankheit keinen tödlichen Verlauf nehmen würde.
Konkrete Anweisungen und Formulierungen
Aber was ist, wenn ein verunglückter Autofahrer zwei Wochen lang künstlich beatmet und ernährt werden müsste, um wieder gesund zu werden, sich in seiner Patientenverfügung aber ausdrücklich gegen derlei Maßnahmen ausspricht? Um Missverständnisse zu vermeiden, müssen die Anweisungen so konkret wie möglich formuliert sein. Wenig hilfreich sind vage Hinweise auf "qualvolles Leiden", "angemessene Umstände" oder die "Apparatemedizin". Besser ist es, genau aufzuschreiben, in welchen Fällen auf Wiederbelebungsversuche, künstliche Beatmung oder Chemotherapie verzichtet werden soll.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschlüssen vom 6. Juli 2016 (XII ZB 61/16) und 8. Februar 2017 (XII ZB 604/15) klargestellt, dass eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nur wirksam ist, wenn sie präzise formulierte Entscheidungen beinhaltet. Die Patientenverfügung muss sowohl konkrete Behandlungssituationen als auch eine genaue Bezeichnung der ärztlichen Maßnahmen, in die eingewilligt oder die untersagt werden, enthalten.
Liegt bereits eine schwere Erkrankung vor, empfiehlt es sich, mit einem Arzt über den Krankheitsverlauf, mögliche Komplikationen, übliche Behandlungsmethoden und eine geeignete Schmerztherapie zu sprechen und diese Details in die Patientenverfügung aufzunehmen.
Trifft die Patientenverfügung auf die eingetretene Krankheitssituation zu, so muss der Arzt diese umsetzen. Die Missachtung des Patientenwillens kann als Körperverletzung strafbar sein.
Mit dem Patientenrechtegesetz, das am 26.02.2013 in Kraft getreten ist, wird nochmals ausdrücklich die Bindung des Arztes an eine Patientenverfügung geregelt (§ 630 d Bürgerliches Gesetzbuch).
Schiedsstelle Patientenverfügungen
Kostenloser Service der Deutschen Stiftung Patientenschutz (ehemals Deutsche Hospiz Stiftung), die bei Konflikten um Patientenverfügungen berät und zwischen den Beteiligten vermittelt.
Betroffene, egal ob Ärzte oder Angehörige, können sich an die Schiedsstelle wenden. Patientenverfügungen werden dann binnen 2 Werktagen gebührenfrei geprüft.
Persönliche Wertvorstellungen
Da man als junger und gesunder Mensch jedoch nicht alle Krankheitszustände vorwegnehmen oder die verbleibende Lebensqualität in einer solchen Situation beurteilen kann, ist es für Ärzte und Angehörige hilfreich, die Beweggründe und persönlichen Wertvorstellungen des Verfassers zu kennen. Dazu gehören religiöse und ethische Anschauungen, die Einstellung zum eigenen Leben und Sterben, aber auch Erfahrungen mit dem Leid anderer. Das lässt Rückschlüsse auf die Behandlungswünsche eines Kranken zu, der nicht mehr in der Lage ist, eine eigene Entscheidung zu treffen, sollte die Patientenverfügung im konkreten Fall nicht eindeutig formuliert sein.
Ergänzende Vorsorgevollmacht empfehlenswert
Um Ihrer Patientenverfügung gegenüber Ärzten und Pflegepersonal Geltung zu verschaffen, empfiehlt sich zusätzlich eine schriftliche Vorsorgevollmacht als Ergänzung zur Patientenverfügung.
Die meisten Menschen gehen nämlich wie selbstverständlich davon aus, dass nahe Familienangehörige für sie Entscheidungen treffen oder Unterschriften leisten dürfen, wenn sie es selbst nicht mehr können. Doch das stimmt nicht.
Liegt keine Bevollmächtigung vor, wird das Betreuungsgericht - sofern notwendig - einen gesetzlichen Betreuer bestimmen. Das kann ein Angehöriger sein, muss es aber nicht.
Sie können durch die Vorsorgevollmacht eine Person Ihres Vertrauens ermächtigen, für Sie zu handeln, wenn Sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind. In einer Vorsorgevollmacht kann man für verschiedene Aufgabengebiete (Gesundheitsfürsorge und Vermögensangelegenheiten) jeweils eine eigene bevollmächtigte Person einsetzen. Vermögensrechtliche Angelegenheiten sind zum Beispiel Einzahlungen und Abhebungen von einem Bankkonto, der Abschluss oder die Kündigung eines Mietvertrages oder der Abschluss eines Heimvertrages. Bei der Gesundheitsfürsorge geht es um folgende Fragen: Wer darf bei Operationen und sonstigen medizinischen Maßnahmen entscheiden? Wer darf die Krankenakte einsehen, wer darf vom Arzt Auskunft verlangen?
Im Fall der Fälle benötigen Sie jemanden, der mit Rechtsmacht für Sie sprechen kann.
In einer Vorsorgevollmacht kann man für verschiedene Aufgabengebiete (z.B. Gesundheitsfürsorge und Vermögensangelegenheiten) jeweils eine eigene bevollmächtigte Person einsetzen. In der Vollmachtsurkunde lässt sich der Hinweis aufnehmen, dass die angegebene Vertrauensperson gleichzeitig die Umsetzung der Patientenverfügung überwacht. Klären Sie vorab, ob Ihr "Wunschbevollmächtigter" bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen und nach Ihren Wünschen zu handeln.
Machen Sie bei der Abfassung der Vollmacht deutlich, dass Ihre Vollmacht eine gesetzliche Betreuung ersetzen soll.
Betreuungsverfügung
Wer seine Angelegenheiten aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht mehr selbst erledigen kann, für den kann vom zuständigen Amtsgericht ein Betreuer bestellt werden. Dies geschieht jedoch nur dann, wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt.
Dabei ist es möglich, für den Fall, dass ein Betreuer bestellt werden muss, im Voraus bestimmte Anweisungen zu treffen. Dies geschieht durch eine Betreuungsverfügung, die schriftlich erfolgen sollte. Mit einer Betreuungsverfügung können Sie festlegen, wer im Bedarfsfall als Betreuer bestellt werden soll (Wunschbetreuer) oder welche Person keinesfalls zum Betreuer bestellt werden soll. Sie können dem Betreuer aber auch vorab inhaltliche Anweisungen für seine Tätigkeit geben. So kann etwa festgelegt werden, welche Ärzte zu fragen sind oder welches Pflegeheim ausgewählt werden soll. Das Gericht bzw. der Betreuer sind grundsätzlich an diese Wünsche gebunden. Nur in Ausnahmefällen, wenn sich die ausgewählte Person als ungeeignet erweist, kann das Gericht eine andere Person als Betreuer bestellen.
Aufbewahrung der Patientenverfügung
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht sollten dem Bevollmächtigten bekannt sein und ihm vorliegen. Der Bevollmächtigte kann nur für Sie handeln, wenn er die Vollmacht im Original vorlegen kann.
Damit die Patientenverfügung dem behandelnden Arzt oder Krankenhaus im Notfall so schnell wie möglich ausgehändigt werden kann, ist es ratsam, stets einen Zettel mit entsprechenden Informationen zu den bestehenden Dokumenten, ihrem Aufbewahrungsort und der benannten Vertrauensperson bei sich zu tragen.
Sie können Ihre Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung bei der Bundesnotarkammer gebührenpflichtig (Bundesnotarkammer - Zentrales Vorsorgeregister -, Postfach 080151, 1001 Berlin, www.vorsorgeregister.de) registrieren lassen. Gerichte können vor Anordnung einer gesetzlichen Betreuung beim Zentralen Vorsorgeregister über einen geschützten Bereich im Internet abfragen, ob es eine Vorsorgeurkunde gibt.
- Ratgeber „Vorsorge für Unfall, Krankheit, Alter durch Vollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung“, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz, zu beziehen kostenpflichtig über den Buchhandel oder kostenlos als PDF
- Ratgeber „Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung“ von der Verbraucherzentrale Bayern (kostenpflichtig) unter Tel.: 0211/3809555 oder im Ratgeber-Shop
- Informationen und Formulare zur Vorsorgevollmacht sowie zur Betreuungs- und Patientenverfügung, hrsg. vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
- Schiedsstelle Patientenverfügungen der Deutschen Stiftung Patientenschutz
- Bei der Deutschen Stiftung Patientenschutz finden Sie auch einen Qualitätscheck für die Beratung von Patientenverfügungen und konkrete Hilfe bei Ihren Dokumenten.
- Beratung zur Erstellung einer individuellen Patientenverfügung erhalten Sie beim Humanistischen Verband Deutschlands, Bundeszentralstelle Patientenverfügung, Tel.: 030/613904-11.
- Zentrales Vorsorgeregister: Registrierungsstelle für private sowie notarielle Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen aus dem ganzen Bundesgebiet, Tel.: 0800/3550500 (gebührenfrei).
Der Freistaat Bayern stellt Ihnen auf dieser Website unabhängige, wissenschaftsbasierte Informationen zum Verbraucherschutz zur Verfügung.
Einzelfallbezogene Rechtsauskünfte und persönliche Beratung können wir leider nicht anbieten. Auch dürfen wir Firmen, die sich wettbewerbswidrig verhalten, nicht selbst abmahnen.
Sollten noch Fragen zu Ihrem konkreten Sachverhalt verbleiben, wenden Sie sich bitte an die unter Service genannten Anlaufstellen.
Aktuelles
15.01.2021
Wiederverwendung von FFP2-Masken
14.01.2021
Kostenlose Vortragsreihe zum Thema Ernährung
12.01.2021
Welche Versicherung schützt bei Eis und Schnee?
07.01.2021
Solarstrom: Pflicht zur Eintragung privater Anlagen
05.01.2021
Kohl - essen mit Köpfchen
22.12.2020
BIOZIDE: Neue Regelung für die Verwendung von Mitteln zur Nagetierbekämpfung
22.12.2020
Keine Maklerprovision bei fehlender Verbraucherbelehrung
17.12.2020
Nachhaltige Last-Minute Geschenkideen
16.12.2020
Ethanolkamine – besinnlich, aber auch brandgefährlich!
14.12.2020
Verbraucherberatung trotz Lockdown
