Fahrgastrechte bei Reisen mit der Bahn
Von: Referat 32 - Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz
In diesem Beitrag finden Sie
- Pauschale Entschädigung bei Verspätung und Ausfall von Zügen
- Weitere Rechte: Rückerstattung und Übernachtung
- Nahverkehr: Rechte bei Verspätungen und Ausfällen
- Besondere Rechte bei Nachtfahrten mit dem Zug
- Ausschluss der Haftung
- Informationspflichten, Beschwerdestellen und Schlichtung
- Rechte von Personen mit eingeschränkter Mobilität
- Haftung bei Zugunfall
Pauschale Entschädigung bei Verspätung und Ausfall von Zügen
Rechtsgrundlage für Ansprüche gegen Bahnunternehmen sind die EU-Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 und die Eisenbahn-Verkehrsordnung. Diese Regelungen gelten grundsätzlich auch bei streikbedingten Verspätungen oder Ausfällen.
Der Fahrgast erhält ab einer Verspätung von einer Stunde als Entschädigung 25 % des Fahrpreises und ab einer Verspätung von zwei Stunden 50 % des Fahrpreises erstattet. Dies gilt auch dann, wenn ein Fahrgast wegen einer nur relativ kleinen Verspätung seinen Anschlusszug verpasst und erst dadurch mehr als eine bzw. zwei Stunden verspätet am Ziel ankommt. Der Fahrgast braucht sich nicht mit einem Gutschein zufrieden zu geben, sondern kann grundsätzlich die Zahlung des Entschädigungsbetrages verlangen.
Die Deutsche Bahn stellt zur Abwicklung der Entschädigungsansprüche ein Antragsformular bereit, das im Internet, am DB-Schalter und im Zug erhältlich ist.
Beispiel: Der Fahrgast Franz hat sich für 48,00 Euro eine Fahrkarte von Augsburg nach Bayreuth gekauft. Der ICE soll um 19:28 Uhr in Nürnberg ankommen. Der Anschlusszug soll dort um 19:48 Uhr abfahren und um 20:54 Uhr in Bayreuth ankommen. In Nürnberg hat der ICE jedoch eine halbe Stunde Verspätung, so dass Franz den Anschlusszug nach Bayreuth verpasst. Er kommt daher erst um 21:56 Uhr in Bayreuth an.
Da Franz sein Ziel mit mehr als einer Stunde Verspätung erreicht, erhält er hier 25 % des Fahrpreises, also 12,00 Euro, erstattet.
Eingeschränkt wird dieser Entschädigungsanspruch jedoch durch eine Bagatellgrenze, wonach Eisenbahnunternehmen eine Entschädigung erst ab 4 Euro auszahlen müssen. Wer unter dieser Bagatellgrenze bleibt, muss notfalls seine Entschädigungsansprüche sammeln, bis der Betrag von 4 Euro erreicht ist.
Beispiel: Franz fährt nun mit dem Zug für 13,30 Euro von Fischbachau nach München. Anstelle der planmäßigen Ankunft um 17:29 Uhr erreicht der Zug München erst um 18:35 Uhr. Bei einer entsprechenden Festlegung eines Mindestbetrags durch das Eisenbahnunternehmen würde Franz hier trotz der über einstündigen Verspätung keine Entschädigung erhalten, da der zu erstattende Betrag mit 3,33 Euro unter der Bagatellgrenze liegt.
Die Pauschalen von 25 bzw. 50 % des Fahrpreises gelten nicht für Inhaber von Zeitfahrkarten, wie etwa der Bahncard 100. Für diese Fahrgäste haben die Eisenbahnunternehmen jedoch in ihre Beförderungsbedingungen die Pflicht zur Zahlung einer angemessene Entschädigung aufzunehmen, wenn der Fahrgast wiederholt Verspätungen erleidet. Derzeit ist z.B. im Nahverkehr in der 2. Klasse für jede Verspätung von 60 Minuten und mehr ein Entschädigungsbetrag von 1,50 € vorgesehen.
Die genannten Entschädiungsansprüche gelten auch, wenn Sie in einem anderen EU-Staat im Fernverkehr reisen. In einzelnen Ländern, wie beispielsweise Spanien, erhalten Fahrgäste sogar höhere Entschädigungen.
Weitere Rechte: Rückerstattung und Übernachtung
Ist eine Verspätung von mehr als einer Stunde abzusehen, besteht für den Fahrgast auch die Möglichkeit, die Fahrt nicht anzutreten und Rückerstattung des Fahrpreises zu verlangen. Alternativ dazu kann die Fahrt bei nächster Gelegenheit bzw. zu einem späteren Zeitpunkt, auch mit geänderter Streckenführung, durchgeführt werden. Wird wegen einer Verspätung von mindestens einer Stunde eine Übernachtung notwendig, so muss dem Fahrgast außerdem eine kostenlose Hotelunterkunft angeboten werden.
Nahverkehr: Rechte bei Verspätungen und Ausfällen
Über die europäischen Vorgaben hinausgehende Rechte räumt das Gesetz den Fahrgästen im Bereich des Nahverkehrs ein. Nach den gesetzlichen Bestimmungen handelt es sich um Nahverkehr, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges die Reiseweite nicht mehr als 50 Kilometer oder die Reisezeit nicht mehr als eine Stunde beträgt. In der Praxis gehören zum Fernverkehr insbesondere EC, IC und ICE und zum Nahverkehr etwa Regionalbahn, Regional-Express und die S-Bahnen.
Ist im Nahverkehr eine Verspätung von mindestens 20 Minuten absehbar, so kann der Fahrgast auch einen anderen Zug nutzen, insbesondere einen teureren Fernverkehrszug. Etwaige hierdurch entstehende Zusatzkosten kann der Fahrgast ersetzt verlangen. Dies gilt allerdings nicht für Züge mit Reservierungspflicht wie z.B. ICE Sprinter oder für Züge, die eine Sonderfahrt durchführen. Für Fälle eines erheblich ermäßigten Beförderungsentgelts, wie z.B. bei dem "Schönes-Wochenende-Ticket" der Deutschen Bahn, können die Eisenbahnunternehmen zudem in ihren Beförderungsbedingungen hiervon abweichen (hier wird derzeit von der Deutschen Bahn in der 2. Klasse eine pauschale Abgeltung von 1,50 € ab einer einstündigen Verspätung gewährt).
Beispiel: Franz hat sich eine Fahrkarte für den Regional-Express von Aschaffenburg nach Frankfurt am Main gekauft. Der Zug soll planmäßig um 20:44 Uhr abfahren und um 21:24 Uhr in Frankfurt ankommen. Auf Grund von Lautsprecherdurchsagen am Bahnsteig erfährt Franz, dass der Regional-Express erst mit einer Verspätung von etwa einer Stunde in Aschaffenburg eintreffen und damit Frankfurt voraussichtlich nicht vor 22:25 Uhr erreichen wird.
Hier kann Franz auch den nächsten ICE in Aschaffenburg nehmen, so dass er um 22:05 Uhr in Frankfurt am Main ankommt.
Besondere Rechte bei Nachtfahrten mit dem Zug
Bei Fahrten während der Nachtzeit kann der Fahrgast unter Umständen sogar auf ein Taxi umsteigen. Liegt die fahrplanmäßige Ankunft nämlich zwischen 0:00 und 5:00 Uhr, sind dem Fahrgast bei Verspätungen von mindestens einer Stunde auch Taxikosten bis zu 80 Euro zu erstatten, sofern keine günstigeren öffentlichen Verkehrsmittel mehr zur Verfügung stehen. Entsprechendes gilt, wenn der letzte fahrplanmäßige Zug des Tages ausfällt und der Fahrgast sein Ziel anderweitig nicht mehr bis um 24:00 Uhr erreichen kann.
Beispiel: Nach einem Konzertbesuch in Nürnberg will Franz um 1:08 Uhr mit dem Zug nach Hause nach Heilsbronn fahren, der dort planmäßig um 1:38 Uhr ankommen soll. Der Zug fällt jedoch wegen eines Defekts aus. Der nächste Zug nach Heilsbronn fährt erst wieder um 04:37 Uhr. Andere öffentliche Verkehrsmittel fahren ebenfalls nicht mehr.
Hier kann sich Franz ein Taxi nehmen und Erstattung der Taxikosten bis zu einem Betrag von 80,00 Euro verlangen.
Ausschluss der Haftung
Die Eisenbahnunternehmen müssen nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 26. September 2013 (EuGH, C-509/11) bei Verspätungen im Fernverkehr auch in Fällen höherer Gewalt Entschädigung leisten. Ob dies auch bei Verspätungen im Nahverkehr gilt, ist noch nicht gerichtlich geklärt.
Dagegen kann das Eisenbahnunternehmen die Erstattung der Kosten für ein anderes Verkehrsmittel bei Verspätungen in der Nachtzeit verweigern, wenn die Verspätung auf außerhalb des Eisenbahnbetriebs liegenden unvermeidbaren Umständen, auf einem Verschulden des Fahrgasts oder einem unabwendbaren Verhalten eines Dritten beruht und der Reisende hierüber informiert wurde.
Informationspflichten, Beschwerdestellen und Schlichtung
Die Eisenbahnunternehmen sind gesetzlich verpflichtet, die Fahrgäste insbesondere über die kürzeste und preisgünstigste Zugverbindung, ihre Rechte als Fahrgast sowie über Verspätungen und die wichtigsten Anschlussverbindungen zu informieren. Im Nahverkehr sind diese Informationspflichten aus Praktikabilitätsgründen weniger umfangreich.
Zum Schutz der Fahrgäste müssen die Eisenbahnunternehmen Beschwerdestellen einrichten und die Fahrgäste darüber informieren, wie sie mit diesen Kontakt aufnehmen können. Führt eine solche Beschwerde nicht zu einer Einigung, so kann der Fahrgast eine Beschwerde bei den Eisenbahnaufsichtsbehörden, insbesondere dem Eisenbahn-Bundesamt, einreichen sowie eine unabhängige Schlichtungsstelle anrufen. Als Schlichtungsstelle steht vor allem die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr zur Verfügung (daneben existieren noch vereinzelt regionale Schlichtungsstellen für Nahverkehre in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen, siehe Kasten "Mehr zum Thema" am Ende dieses Artikels).
Im Fernverkehr tätige Eisenbahnunternehmen müssen zudem ein System zum Qualitätsmanagement anwenden und jährlich Berichte zur Dienstqualität im Internet veröffentlichen.
Rechte von Personen mit eingeschränkter Mobilität
Bahnhöfe, Bahnsteige, Züge und andere Einrichtungen müssen auch für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich sein. Beim Ein- und Aussteigen sowie während der Fahrt sind die Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber zudem verpflichtet, kostenlose Unterstützung zu leisten, soweit dies rechtzeitig angemeldet wurde und entsprechendes Personal vorhanden ist.
Haftung bei Zugunfall
Wird bei einem Eisenbahnunfall ein Fahrgast getötet oder verletzt, so muss das Eisenbahnunternehmen einen Vorschuss zur Deckung der unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse zahlen. Die Haftungsregeln bei Personenschäden gelten in ganz Euopa einheitlich.
- Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp): Bundesweite Zuständigkeit für Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff
- Informationen der Deutschen Bahn über Fahrgastrechte; Servicestelle bei der Deutschen Bahn: Telefon (0180) 5202178
- Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (29.10.2020): Mehr Rechte für Bahnreisende in der EU.
- Busse und Bahnen kompakt (vom Verband deutscher Verkehrsunternehmen e.V.)
- Fluggastrechte
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